Berlin (KNA) Es ist nicht frei von Ironie, dass ausgerechnet das Sommerinterview in der ARD am meisten Zuschauer und den größten Marktanteil holte, das eigentlich gar nicht stattfand. Am 20. Juli wollte Markus Preiß, der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, mit Alice Weidel, der Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD), in den Clinch aus Fragen und Antworten gehen. Aber die 30 Minuten verloren sich phasenweise im Protestgetöse, das vom anderen Spreeufer im Berliner Regierungsbezirk auf die Besucherterrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses herüberdrang. Einige Demonstranten, vor allem aber die Lautsprecher auf dem Bus des "Zentrums für politische Schönheit" erzeugten einen Lärm, dass Weidel Preiß nicht verstand und umgekehrt. Aber die AfD-Vorsitzende ermunterte den ARD-Mann, das Interview weder unter- noch abzubrechen. Preiß also hielt Kurs und erneuerte mehr unfreiwillig als freiwillig das Opfer-Narrativ der Rechtsextremen. Die Zahlen belohnten beide. Den Interviewversuch schalteten 1,678 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer ein, was einen Marktanteil von 12,7 Prozent bedeutete. Damit konnte Weidel das ARD-Sommerinterview mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine Woche zuvor deutlich überflügeln. Dort wurden 1,074 Millionen Zuschauer bei einem Marktanteil von 8,6 Prozent verzeichnet. Überhaupt scheint der Chef der schwarz-roten Regierungskoalition nicht der "Zuschauerfänger" schlechthin zu sein. Die Spitzenposition bei den sieben ZDF-Sommerinterviews holte der CSU-Vorsitzende Markus Söder am 3. August mit 2,90 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern bei einem Marktanteil von 15,6 Prozent. Merz schloss im Gespräch mit der ZDF-Hauptstadtstudiochefin Diana Zimmermann am 31. August die sieben ZDF-Sommerinterviews 2025 ab. Während deren durchschnittlicher Marktanteil mit 13,2 Prozent auf der Flughöhe von 2024 (13,1 Prozent) lag, sank die Einschaltquote in diesem Jahr von 2,46 Millionen auf 2,27 Millionen ab. Die ARD meldete für die sechs Interviews einen durchschnittlichen Marktanteil von 10,1 Prozent, was exakt dem Wert von 2024 entspricht. Das Erste und das Zweite sind sehr stolz auf ihre Interviewreihen, die in der Phase, wenn der parlamentarische Betrieb ruht und die Talkshows schweigen, die politische Berichterstattung immerhin so dominieren können, dass "heute" und "Tagesschau" wie auch andere Medien damit kurzfristig ihre Schlagzeilen füllen können. Aber was etwa Bundeskanzler Friedrich Merz im ZDF zeigte, prägte die Gesprächsreihen beider Systeme: das Prozedurale der Politik, die luftdichte Hermetik der Fragen und Antworten statt des mutigen Aufbruchs in die Hermeneutik aktueller Politik. Also muss als wesentlicher Eindruck der "Sommerinterviews" bleiben: Ein Nicht-Interview, in dem Wulf Schmiese, stellvertretender Studioleiter des ZDF-Studios in der Hauptstadt, im Gespräch mit Markus Söder exemplarisch vorführte, was sich als die Schwäche dieser Interviews zeigt: Sie lassen kein Loch in der Fragenkaskade zu, wo sich wirklich Gedanken sammeln können, wo das nicht Bekannte, nicht Erwartbare, nicht Vorhersehbare Platz findet. Die Sommerinterviews dürften mehr sein wollen als XXL-Versionen der Politiker-Abfragen beim "Bericht aus Berlin" und bei "Berlin direkt". "Wäre ich nicht Optimist", sagte Friedrich Merz im ZDF-Sommerinterview zu Diana Zimmermann, "dann wäre ich heute nicht bei Ihnen." Und wäre der Zuschauer nicht Optimist, wäre die Zuschauerin nicht Optimistin, dann säßen er und sie im Sommer 2026 nicht wieder vor den Bildschirmen von ARD und ZDF, wenn zum Sommerinterview an der frischen Luft gebeten wird. ZDF (in der Reihenfolge der Ausstrahlung): ARD (in der Reihenfolge der Ausstrahlung):