Santiago (KNA) Die Reportage des Senders Chilevisión (CHV) hatte es in sich. Die Redaktion deckte ein Netzwerk auf, das mit Hilfe von Bots, also automatisierten Roboter-Profilen, Attacken gegen die linksgerichtete Präsidentschaftskandidatin Jeannette Jara verbreitete und sich für den rechtskonservativen Kandidaten José Antonio Kast aussprach. "Der Bericht von CHV bestätigte etwas sehr Schwerwiegendes: Die Manipulation durch Bots ist kein Verdacht mehr, sondern eine Realität, die der Demokratie schadet", sagte Jara nach Veröffentlichung des Beitrages. Diese Manipulation schüre Hass, agiere gewalttätig und skrupellos. "Es überrascht nicht, dass sie von der extremen Rechten kommt, die Republikaner sind dafür verantwortlich", fällte Jara ihr Urteil. José Antonio Kast müsse sich dazu äußern. Er habe öffentlich versichert, dass er keine Bots einsetzt, "aber heute zeigen die Beweise das Gegenteil. Was brauchen wir noch, um Transparenz zu fordern? Die Bürger verdienen Antworten, keine Täuschungen." Damit schien die Schuldfrage eigentlich geklärt. Doch dann konterte Kast. Denn im Sender CHV hat der Bruder der kommunistischen Politikerin eine ranghohe Position inne. "Wer ist der investigative Journalist von CHV? Ist es ein Herr mit dem Nachnamen Jara? Ist er der Bruder der Kandidatin?", fragte der rechtskonservative Politiker und legte nach. "Ich werde keine Meinung dazu äußern, aber ich gebe Ihnen diesen Denkanstoß", erklärte Kast, der damit nahelegte, CHV habe eine Berichterstattung produziert, die Jara unterstützen solle. Chilevisión wies die Vorwürfe von Kast entschieden zurück. In einer offiziellen Erklärung teilte der Sender mit, dass "die Produktion des Berichts ausschließlich vom dafür zuständigen Team unseres Senders übernommen wurde, zu dem der Journalist Sergio Jara nicht gehört". Jara, seit 2022 bei Chilevisión, arbeite vielmehr für die Morgensendung "Contigo en la Mañana" und die sei vom Rechercheteam getrennt und unabhängig. Das Thema nahm auch breiten Raum in der TV-Präsidentschaftsdebatte ein. "Die Öffentlichkeit müsse wissen, ob die Trolls von dir kommen", sagte Jara. Kast konterte: "Dein Bruder arbeitet bei CHV". Inzwischen gab es auch erste personelle Konsequenzen. Der Reportage enthüllte unter anderem, dass Patricio Góngora, der Geschäftsführer von Canal 13, für einen anonymen Social-Media-Kanal mit dem Namen "Partido Verde" verantwortlich gewesen sein soll. Von diesem wurden politische Botschaften, Drohungen und Fake News gegen Vertreter der amtierenden Linksregierung von Präsident Gabriel Boric verbreitetet. Góngora trat daraufhin von seinem Amt als Direktor des Fernsehsenders zurück, bestritt aber vehement etwas mit dem Account zu tun zu haben: "Dieses Konto gehört mir nicht. Aber sie haben sich entschieden, einer anonymen Quelle zu glauben und mit einer Reihe von Halbwahrheiten zu spekulieren, die nicht der Realität entsprechen". Die Indizien sprechen allerdings gegen Góngora. In den Netzwerken kommentierten zahlreiche User aus dem linken Spektrum, es sei mit der Arbeit eines seriösen Journalisten unvereinbar, einen Fake-Account zu betreiben, von dem aus politische Gegner attackiert würden. Präsident Gabriel Boric, der aufgrund einer Amtszeitbegrenzung nicht wieder antreten darf, rief dazu auf, "das zivile Zusammenleben und die Demokratie zu pflegen". Chile müsse in einem demokratischen Umfeld ohne Desinformation diskutieren, forderte Boric. Gewählt wird in Chile am 16. November, eine wahrscheinliche Stichwahl findet am 14. Dezember statt. In den jüngsten Umfragen führt die kommunistische Kandidatin des Regierungslagers mit 27 Prozent vor Kast mit 23 Prozent. Auf Rang drei liegt die konservative Politikerin Evelyn Matthei mit 17 Prozent. Rang vier belegt derzeit der libertäre Politiker Johannes Kaiser (9 Prozent).