Berlin (KNA) Im Sport heißt es über Neulinge höherer Ligen häufig, die zweite Saison sei schwieriger als die erste. Denn der frische Wind im Rücken hilft Aufsteigern zwar beim Ankommen in luftiger Höhe. Um längerfristig dort oben zu bleiben, bedarf es allerdings taktischer, spielerischer, personeller und finanzieller Verbesserungen. Als "Seriesly Berlin" vor einem Jahr quasi aus dem Nichts in die Eliteklasse der deutschen Film- und Fernsehfestivals vorgedrungen war, hat es sich mit einer wilden Mischung aus Kunst und Business schnell etabliert. Vier Tage lang stellte die Branche sich und anderen nämlich grundlegende Fragen: Wie macht man Serien besser, ohne unsichtbar zu bleiben zum Beispiel, oder was macht sie erfolgreicher, ohne beliebig zu sein. Dafür waren rund 300 internationale Besucher auf und vor die Bühne des gediegenen Kunstmuseums Fotografiska gekommen. Kreative wie "Orange is the New Black"-Autorin Jenji Kohan sorgten für Glamour, Entscheider wie Amazon Prime-Chef Christoph Schneider für Marktmacht, dazwischen rang ein Blumenstrauß verschiedenster Gewerke und Geschäfte um Sichtbarkeit. Als Branchenmesse zum Pitchen und Protzen, statt fürs Sehen und Gesehenwerden, hat die Erstausgabe also nicht nur dank der englischen Amtssprache Spuren hinterlassen. Wer "Seriesly Berlin" jetzt aufs Neue nach Kreuzberg folgt, kann also selbst ermessen, ob das Ganze weiterhin erstligareif ist. Bereits am Montag öffnen die Hackeschen Höfe um 8.30 und 19 Uhr ihre Pforten für zwei von acht Premieren aus Kanada ("Inuit Makers") und Tschechien ("Moloch Files"), bevor zwei Tage später zumindest aus deutscher Sicht der Höhepunkt läuft: "House of Bellevue". Die sechsteilige Neo-Fiktion aus der Berliner Ballroom-Szene krönt gewissermaßen die zugehörige Konferenz mit mehr als 60 Speakern und mindestens 300 Gästen. Von Mittwoch bis Donnerstag debattieren sie (hoffentlich) angeregt vier wirkmächtige Themen. Neben dem urbanen Mega-Sujet Queerness sind es unter anderem: Mode, Horror, Partnerschaft - im künstlerischen wie geschäftlichen Sinne. Dafür hat Festivalleiter Dennis Ruh unter anderem den Stardesigner Be Inthavong gewonnen, der am Beispiel seiner Kostüme zur dritten Staffel von "The White Lotus" die Bedeutung der Mode fürs Storytelling und umgekehrt erklärt. Damit macht das Programm klar, wie es in dramaturgische Tiefen vordringen will, ohne unter der visuellen Oberfläche zu verschwinden. Deshalb erörtern Can Evrenol ("Der Beschützer") und Till Kleinert ("Hausen") mit Frederike Dellert vom Fantasy Filmfest, wie Gruseleffekte den Schockmoment überdauern. Die produzierenden Filmemacher Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann von der Bildundtonfabrik legen mit der deutschsprachigen Netflix-Beauftragten Lisa Kreimeyer Vorteile langfristiger Kooperationen dar. Und auf dem bestbesetzten Podium redet Alicia Remirez (Constantin) mit Nataly Kudiabor (Ufa) oder Sebastian Krekeler (ZDF-Studios) darüber, was Serien unwiderstehlich und finanzierbar macht. Nach der Absage von Gaumont-Mastermind Sabine de Mardt fehlt dem Festival zwar ein wirklich großer Name mehr. Das ist aber kein Qualitätsabfall. In gut zwei Dutzend Workshops, Panels und Keynotes wie Podiumsdiskussionen, Arbeitsgruppen und Grundsatzreden heutzutage heißen, will "Seriesly Berlin" schließlich nicht nur die Leerstelle zwischen Berlinale und Seriencamp füllen. Das Festival cum Konferenz wagt sich auf Umwege, wo andere lieber über die Hauptstraße fahren. Deshalb findet abseits der Boom-Themen Podcast und Koproduktion auch Abseitiges wie "Plotting mit Beats" und "Algorithmen im Reality TV" statt - und es wird sich auch getraut, schwierige Frage zu stellen danach, wie Palästinenser und Israelis ihre Gegensätze im Writers Room überwinden. Dass die inhaltlich belanglose, aber global zugkräftige Prime-Schnulze "Maxton Hall" abermals zur sehenswerten Serienkost aufgeblasen wird, darf man da als Ausnahme von der Regel abseitiger Ansätze im Massenprodukt Serie betrachten - zumal die Co-Autorin Marlene Melchior mit Studienleiterin Katrin Merkel (Serial Eyes) auch übers weibliche Erzählen in einer männlichen Branche spricht. Für studentische 60 bis unternehmerische 145 Euro Eintritt kriegt man auf der "Seriesly Berlin" also ein buntes Gemisch serieller Belange weit jenseits der reinen Preiswürdigkeit geboten. Um die es aber ebenso geht. Und zwar buchstäblich. In zwei Vorstellungsrunden nämlich kämpfen wie voriges Jahr 16 Serien-Pitches junger Autorinnen und Autoren nicht nur um Sponsoren und Partner - also um Aufmerksamkeit und Geld. Der neue SteinbrennerMüller-Award prämiert auch den besten Pitch aus Deutschland mit 2000 Euro Marketing-Startkapital. Vielleicht hält sich die Seriesly Berlin so ja in der Ersten Liga.