Geburt einer Heldin - Arte-Mediathek zeigt ägyptische Serie über Emanzipazion einer Witwe

Von Joachim Huber (KNA)

SERIE - Wie in vielen anderen Staaten dieser Welt ist auch die ägyptische Gesellschaft noch stark vom Patriarchat geprägt. Eine ägyptische Serie erzählt nun die Geschichte einer Mutter, die sich das nicht mehr gefallen lässt.

| KNA Mediendienst

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"Die Vormundschaft"

Foto: Mediahub/ARTE France/KNA

Straßburg (KNA) Diese Serie hat ein ungewohntes Zeitmaß. Der dramatische Bogen spannt sich über 15 Folgen, das wären bei Netflix oder Prime Video mindestens zwei, drei Staffeln. Aber "Die Vormundschaft" (exklusiv in der Arte-Mediathek) ist eine ägyptische Produktion und was sie zu erzählen hat, hat keine Mühe, 15 Folgen lang erzählt zu werden. "Die Vormundschaft" war bei den Zuschauern des Nahen Ostens nach Senderangaben ein Riesenerfolg. Wie schon der Film "Onid Hallan" (1975) von Said Marzouk, der eine Änderung des Scheidungsgesetzes zugunsten der Frauen bewirkte, nimmt auch die Serie Partei für die (Menschen-)Rechte der Frauen. "Die Vormundschaft", geschrieben von Khaled Diab und Sherine Diab, greift dabei ein weiteres brennendes Thema auf. Attackiert werden die Ungerechtigkeiten in einer Gesellschaft, die vom Patriarchat und vom Machismo ägyptischer Prägung gekennzeichnet ist. Unter beidem leidet die zweifache Mutter Hanan (Mona Zaki), die gerade Witwe geworden ist. Das ägyptische Gesetz stellt Halbwaisen nach dem Tod des Vaters unter die Vormundschaft des Großvaters väterlicherseits. Dagegen rebelliert Hanan, sie will ihre Zukunft und die ihrer Kinder, Baby Farah und Sohn Yassin, selbst bestimmen. Sie flieht aus Alexandria, "leiht" sich ein Fischerboot, will mit neuer Identität als Laila nicht mehr und nicht weniger als ein selbstbestimmtes Leben. Im Wechsel zwischen Gegenwart und Flashbacks offenbaren die Episoden Beweggründe für das, was Hanan/Laila an- und umtreibt. Da sind die Hürden der Bürokratie, wenn wieder und wieder Dokumente fehlen, was den Schulbesuch von Yassin verhindert, da ist die Korruption, wenn Hanan sich auf dem Schwarzmarkt einen neuen Ausweis beschaffen will, der das entscheidende Hindernis beim Fortkommen - ihre Witwenschaft - camouflieren soll, da ist die fortgesetzte Drangsal, der sich die Skipperin (eine Frau als Kapitänin eines Fischerboots, unerhört!), auf dem Schiff, an Land oder bei der Garnelen-Auktion ausgesetzt sieht. "Die Vormundschaft" bleibt nicht in diesem Kosmos hängen, die Perspektive wird um ihre Schwester Sanaa (Maha Nassar) und ihre Freundin Mona (Noha Abdin) erweitert. Ihre Beziehungen sind von Zerwürfnissen, Streit, Versöhnung und Verzweiflung darüber gekennzeichnet, was ihre Partner ihnen zugestehen wollen und was nicht. Gerade Saleh (Diab), der potenzielle Bräutigam von Mona, stellt sich gegen Hanan. Zuweilen streifen die 15 Folgen die Grenzen zur Seifenoper, weil sich Glück und Unglück in so schneller Folge abwechseln. Da türmt sich die Verzweiflung der Heldin zu einem gewaltigen Gewitter auf, das sich dann entlädt und wieder kurzen Hoffnungsschimmern Platz macht. Aber "Die Vormundschaft" verfolgt im Kern ein höheres Ziel. Sie stellt die Frage: Kann die Selbstermächtigung einer Frau, einer Mutter, gelingen in einer Gesellschaft, die ihr diese Selbstermächtigung verwehrt und stattdessen Gefolgschaft im Schatten des Mannes fordert? Hanan jedenfalls hat sich entschieden: In ihrem Leben soll es kein falsches, es kann nur ein richtiges geben. Also kämpft sie, auf vielerlei Wegen, mit vielerlei Mitteln, gegen vielerlei Widerstände. Mona Zaki ("Scheherazade", "Tell Me a Story") spielt Hanan/Laila in einem überzeugenden Auf und Ab aus Verletzlichkeit und gleichzeitiger Entschlossenheit. Sie ist eine ägyptische Mutter Courage. Einfühlsam, überbordend in Zuneigung und Ablehnung und durchaus schlau, wenn es gilt, Wünsche und Vorstellungen durchzusetzen. Nicht alle Männer wenden sich gegen sie, Rabei (Rushdy El Shamy), den sie "Onkel Rabei" nennt, greift ihr auf dem Boot unter die Arme, bei ihrem Vermieter Zakaria (Ahmad Khaled Saleh), der zugleich Lehrer ist, verwandelt sich im Laufe der Handlung Ablehnung in Zuneigung. Die Regie von Mohammad Shaker Khodeir und Ramy Nassif konzentriert sich auf die Kleinfamilie, auf Hanan/Laila. Es ist nicht so, dass die Rollen der übrigen Protagonisten dadurch schrumpfen, doch es sind die Szenen mit der Witwe und Mutter, in denen eine Heldin geboren wird. Eine Frau, die der Vormundschaft anderer entkommen möchte. Der Zuschauer folgt ihr auf diesem Weg mit immer größerem Interesse und gedrücktem Daumen. "Die Vormundschaft" gleicht einem tiefen Eintauchen in eine Kultur, die einem fremdartig und zugleich sehr nahe vorkommen kann.

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