Bonn (KNA) Japan im 17. Jahrhundert. Eine einsame Reiterin durchstreift den rauen Norden des Landes auf der Suche nach den Mördern ihrer Familie. Noch im Kindesalter überlebte sie knapp den Angriff einer Bande von Gesetzlosen, der "Yotei Sechs", auf das elterliche Anwesen. Sechzehn Jahre später ist Atsu eine Meisterin des Samurai-Langschwerts Katana, kann aber auch mit Pfeil und Bogen umgehen. Unterwegs trifft sie auf Unmengen von Feinden, aber auch auf Hilfesuchende, die ihre eigenen Geschichten erzählen - und manch einen Verbündeten, der ihr bei ihrer Mission behilflich sein kann. Im Laufe ihrer Reise lüftet sie viele Geheimnisse, verbessert ihre Ausrüstung und ihre Fertigkeiten und kommt so ihrem Ziel Stück für Stück näher. Doch jede Aktion macht sie bekannter, bald wird sie steckbrieflich gesucht, der Feind ist vorgewarnt. Ob die stimmungsvolle Landschaft, die fantastischen Kostüme oder die ausgefeilten Kampfchoreographien: Die Opulenz, die das entwickelnde Studio Sucker Punch mit Hilfe der PS5-Hardware auf den Bildschirm zaubert, ist ganz große Videospielkunst. Der von der Kritik gelobte Vorgänger "Ghost of Tsushima" wird mit noch mehr Atmosphäre und sinnvollen Änderungen an der Spielmechanik übertroffen. In ästhetischer Hinsicht, aber auch in Bezug auf die Story, ist der legendäre japanische Regiealtmeister Akira Kurosawa ("Die Sieben Samurai") allgegenwärtig. So wirkt "Ghost of Yotei" über weite Strecken wie ein fernöstlicher Western. Kurosawas Auge war an klassischen US-Filmen wie John Fords "Stagecoach" geschult, dessen Vorliebe für extreme Nahaufnahmen, die Dynamik in der Bewegung von Staub, Wind und Wetter sowie virtuos choreographierte Gruppenszenen wiederum andere Western-Regisseure wie Sergio Leone, Sam Peckinpah oder Quentin Tarantino beeinflussten. Und sie finden sich auch in "Ghost of Yotei" wieder, wo sich Kraniche aus der Weite des Graslands erheben, die Heldin sich mit tänzerischer Anmut gegen die feindliche Übermacht behauptet, während der schneebedeckte Gipfel des Berges Yotei über allem thront. Eine gute Portion Italowestern äußert sich auch in einer gewissen Drastik in der Gewaltdarstellung, die aber nie zum Selbstzweck wird. Im Zentrum der Handlung stehen klassische Westernmythen: moralisch ambivalente Helden, soziale Konflikte und Themen wie Rache, Vergebung und Gerechtigkeit. Dass wir in einer Welt im Aufruhr leben, in der eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft zu beobachten ist, geht leider auch an einem Kunstwerk wie "Ghost of Yotei" nicht spurlos vorbei. Einer für die Charakterentwicklung zuständigen langjährigen Mitarbeiterin des Studios wurde nach einem Social-Media-Kommentar zur Ermordung des US-Aktivisten Charlie Kirk gekündigt. Trotz der umgehenden Reaktion des Arbeitgebers wird nun online zum Boykott des Spiel aufgerufen. Gleichzeitig verselbstständigte sich in den sozialen Medien die Kritik an Teilen des Spiels wie einer angeblich schlechten Grafik oder mangelndem Respekt vor der japanischen Kultur. Vieles von dem, was dort noch vor der Veröffentlichung des Spiels behauptet wurde, ist so offenkundig aus der Luft gegriffen, dass man dahinter nur den Willen vermuten kann, Spiel und Studio kollektiv zu bestrafen. Dass etwa der Titel in Anspielung auf das Reizwort "woke" als "Ghost of Wokei" verballhornt wird, dürfte nicht zuletzt mit der Figur der Heldin zusammenhängen. Atsu ist meilenweit von den in zahllosen Actionspielen anzutreffenden sexualisierten Heroinen entfernt. Von eher unscheinbarer Gestalt, behauptet sie sich in einer von männlicher Gewalt geprägten Umgebung und verfolgt dabei konsequent ihren eigenen Weg. Schon eine solche Frauenfigur scheint im Jahr 2025 für viele "zu woke" und damit eine inakzeptable Provokation zu sein, die mit der Höchststrafe öffentlicher Denunziation und digitaler Ächtung bestraft werden muss. Hersteller/Entwickler: Sony International Entertainment/Sucker Punch Altersempfehlung: Das Spiel ist von der USK ab 18 Jahren freigegeben, was angesichts der martialischen Schwertkämpfe gerechtfertigt ist. Mehrspieler: Ein Mehrspielermodus ist für 2026 angekündigt. Sprache: diverse Sprachen und Untertitel einstellbar Plattform: PlayStation 5 Preis: ca. 80 Euro Alternativen: "Assassin's Creed: Shadows" (Ubisoft, für diverse Plattformen, ca. 70 Euro) ist ein ganz ähnlich gelagertes Open-World-Adventure, das ebenfalls eine weibliche Heldin hat. Die im Vergleich zu "Ghost of Yotei" um ein Vielfaches teurere Produktion bietet eine riesige Spielwelt und unzählige Möglichkeiten der Interaktion. "Ghost of Tsushima" (Sony, für PS4/PS5 und PC) und der Nachfolger "Ghost of Yotei" kommen dafür gezielter auf den Punkt und spielen insbesondere ihre Nähe zum Western besser aus. Es ist nicht schön, wenn man als halber Kopf auf die Welt kommt: Man hat keinen Mund zum Sprechen und kann sich nur hüpfend fortbewegen. Andererseits hat man Augen und Ohren, um die Welt zu erkunden und Neues zu entdecken. Außerdem haben die Entwickler des in Zürich ansässigen Studios Lululu Entertainment Henry eine großartige Fähigkeit mitgegeben: Er kann sich praktisch in alles verwandeln, was er unterwegs findet! Ob als Ball, Stehlampe, Bratpfanne oder Plüschtier - Henry probiert alles aus und findet auf diese Weise ungeahnte Möglichkeiten, mit seiner Umgebung zu interagieren. Spieler können hier endlich einmal erleben, wie man sich als Waschmaschine oder Gießkanne fühlt. Die Grafik von "Henry Halfhead" ist minimalistisch, aber auch farbenfroh und voller liebevoller Details. Man startet als Baby und durchlebt mit dem Titelhelden unterschiedliche Lebensphasen. So muss sich Henry in der Arbeitswelt bewähren und sich schließlich mit den Problemen des Älterwerdens auseinandersetzen. Das alles kann man im Koop-Modus auch zu zweit tun und dabei unzählige weitere Interaktionsmöglichkeiten entdecken - wie etwa gemeinsam zu kochen. Dass all das etwas ziellos wirkt, ist Teil des Konzepts. Hier geht es nicht darum, Punkte zu sammeln oder etwas aufzubauen, sondern darum, sich den Blick für das Wesentliche im Leben zu bewahren: neugierig zu bleiben, das Beste aus jeder Situation zu machen und dabei eine Menge Spaß zu haben Game-Infos: "Henry Halfhead", Lululu Entertainment, für PC (via Steam und Epic), PS5, Nintendo Switch, ohne Altersbeschränkung, 13-14 Euro.