Bei Arte schippern schöne Schiffe - Dokumentation über die Seefahrt und ihr Verhältnis zur Macht

Von Christian Bartels (KNA)

DOKU - Ein bildstarker Arte-Dokumentarfilm bietet interessante, allerdings vor allem rückwärtsgewandte Blicke auf "Schiffe, Meere, Macht". Durch mangelnden Tiefgang hat der Film leider ziemlich Schlagseite.

| KNA Mediendienst

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"Schiffe, Meere, Macht - Beginn der Globalisierung"

Foto: Loopfilm/ZDF/KNA

Berlin (KNA) Der Anblick von Schiffen auf dem Wasser übt einfach Faszination aus. Das ist bei "Schiffe, Meere, Macht - Beginn der Globalisierung" nicht anders. Große und kleine Schiffe und Boote auf oft schön blauem Wasser, vor weitem Horizont oder grandiosen Stadtkulissen sind zu sehen, auch Luftaufnahmen im Zeitraffer. Dazu machen erhebende Musik und ein Off-Kommentar Stimmung, der von den Meeren als "Lebensader" spricht und mit dem Hinweis auf die "erste Hoch-Zeit" der Schifffahrt im alten Ägypten früh andeutet, welch breites Thema das Publikum erwartet. Visuell greift Filmautor Oliver Halmburger ins volle Repertoire der Archive. So zeigt er Ausschnitte aus dem "Ben Hur"-Stummfilm von 1925 – damit der Off-Kommentar dann betonen kann, dass in der Antike (in der "Ben Hur" spielt) noch gar keine angeketteten Sklaven wie später im Mittelalter, sondern Freiwillige auf den Galeeren ruderten. Dann doch lieber eigene Bewegtbilder in Szene setzen, die perfekt zum Kommentar passen. Reenactments unklarerer Provenienz enthält der Film ebenfalls, etwa wenn Kolumbus bei der Entdeckung nicht etwa Indiens, wie er bis an sein Lebensende glaubte, sondern der Bahamas und damit Amerikas navigiert, indem er Landkarten umdreht. Hat Kolumbus Amerika denn "entdeckt"? Einwände gegen diese Sicht berücksichtigt der Film natürlich auch: Die europäischen Wikinger waren schon deutlich früher dort gewesen, und dass es sich bei der Bezeichnung "Neue Welt" um eine arg eurozentrische Betrachtungsweise handelt, klingt ebenfalls an. Expertinnen und Experten kommen zu Wort, etwa Ruth Schilling, die Direktorin des Schifffahrtsmuseums Bremerhaven, in dessen Fundus der Film sich gerne bedient. Neben Filmaufnahmen aus unterschiedlichen Epochen gehören Stiche schöner Schiffe, Landkarten und nur auf die ersten Blicke schöne Bilder von Wracks am Meeresgrund zum Materialmix. Zwischendurch sorgen Fans von Dampfschiff-Nostalgie, die sich in Flensburg treffen, für Entschleunigung. Als Purist würde man sich wünschen, zwischendurch auch mal schöne Bilder der Elemente ohne Sprache wirken zu lassen, doch der Off-Kommentar redet ziemlich pausenlos. So bündelt "Schiffe, Meere, Macht" allerhand Interessantes und Wissenswertes, von dem vielen Zuschauern vieles neu sein dürfte. Schade etwa, dass man nur wenig vom dampfkraftbetriebenen Schaufelradboot hört, das der französische Erfinder Denis Papin, den es als Hugenotten nach Hessen verschlagen hatte, 1707 auf die Weser schickte, wo lokale Schiffer es bald zerstörten. Doch technikgeschichtlich ging es im 18. und besonders dann im 19. Jahrhundert - und jetzt in der Doku – Schlag auf Schlag: Dampfkraft als Schiffsantrieb setzte sich erst gut hundert Jahre später in England durch, auch wegen der "Hybridfahrzeuge", die zwar noch besegelt wurden, aber schon eine Dampfmaschine an Bord hatten. Den Wettkampf mit dem Schaufelrad gewann der Schiffsschrauben-Antrieb, zumindest im tiefen Wasser. Nachdem sich Schiffsrümpfe aus Stahl und der Dampfantrieb durchgesetzt hatten, erinnerte die harte Arbeit der Heizer tief unter Deck wieder an Galeerensklaven. Über das Stichwort Kolonialwaren rückt dann auch Kolonialismus-Kritik in den Fokus. "Diese Globalisierung begründet auch den Reichtum Europas", betont der Film. Der global bekannteste Dampfschiff-Topos, die trotz redundanter Hochtechnisierung untergegangene "Titanic", die "Micky Maus", die im "Steamboat Willie"-Zeichentrickfilm die Leinwand erblickt hatte, und die Seeschlachten des 20. Jahrhunderts werden abgehakt. Dass die riesigen Luxusdampfer "Queen Elizabeth" und "Queen Mary" sich als mit entscheidend für den Zweiten Weltkrieg entpuppten, weil kein anderes damals bekanntes Verkehrsmittel anderthalb Millionen Soldaten so schnell über den Atlantik transportieren konnte, ist ein weiteres verblüffendes Kuriosum. Just zwischen den Weltkriegen war Kreuzfahrt-artiger Schiffstourismus rechtzeitig zur Massenerscheinung avanciert. Auch sonst blendet der 90-Minüter die dunklen Kapitel der Schifffahrt nicht aus. Da kommt der zum Bremerhavener Museum gehörende Walfänger ins Bild; allein drei Millionen Wale sind im vergangenen Jahrhundert getötet worden. Der CO2-Ausstoß sowohl der alten Dampfschiffe als auch der Dieselschiffe, die gegenwärtig die "Herrscher der Weltmeere" sind, ist mitverantwortlich für bestehende Klima-Probleme und verstärkt sie weiter. Mit Binsen wie der, "dass Nachhaltigkeit die Herausforderung der Zukunft wird", endet dann auch der Film. Das enttäuscht dann doch etwas, zumal es auch um die im Titel angeführten Themen Macht und Globalisierung fast ausschließlich unter historischen Aspekten geht. Dabei zeigen die zahlreichen aktuellen Krisen, wie entscheidend und gleichzeitig wie angreifbar Seehandelsrouten sind, wie Schiffe zum Handel mit eigentlich boykottierten Gütern und zur Zerstörung von Infrastruktur benutzt werden, wie ambivalent der beliebte Kreuzfahrt-Tourismus zu bewerten ist. Was bleibt, ist eine bildstarke Dokumentation, die allerhand Informationswert entfaltet, dabei aber wirklichen Tiefgang – Pardon fürs schiefe Bild – nicht wirklich anstrebt, und so durch unterhaltsame anderthalb Stunden mit etwas Schlagseite durch das große Thema Meer und Macht schippert.

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