Der letzte Held - Arte-Doku setzt Gary Cooper ein filmisches Denkmal

Von Manfred Riepe (KNA)

DOKU - Eine Arte-Dokumentation blickt zurück auf die ungebrochene Männlichkeit des Hollywood-Stars Gary Cooper. Auch wenn die kulturhistorische Einordnung lückenhaft ist, bleibt der Film sehenswert.

| KNA Mediendienst

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"Irresistible Gary Cooper"

Foto: Wichita Films/Arte-F/KNA

Straßburg (KNA) Gary Cooper trat bereits in Stummfilmen auf und war bis in die frühen 1960er Jahre vor allem auf den Kinoleinwänden präsent. Was ihn auszeichnet, ist sein zurückhaltendes Spiel und eine Glaubwürdigkeit, die kaum ein anderer erreichte. Eine Arte-Dokumentation blickt zurück auf die fast 40-jährige Karriere des schlaksigen, hochgewachsenen Darstellers, der bis zuletzt stets etwas Geheimnisvolles verkörperte. Die beiden Französinnen Clara und Julia Kuperberg, bekannt für ihre Dokumentationen über Pioniere der amerikanischen Filmgeschichte, arbeiten sich, wie nicht anders zu erwarten, zunächst an der Biografie ab. Der 1901 in Montana geborene Frank James Cooper wollte eigentlich Kunst studieren, dabei aber seinem Vater finanziell nicht auf der Tasche liegen. Da er auf der Ranch seiner Eltern reiten gelernt hatte, versuchte er es auf den Rat eines Freundes hin in den 1920er Jahren beim Stummfilm, der seinerzeit überwiegend Western hervorbrachte. Zwei Umstände ermöglichten den rasanten Höhenflug des einstigen Stuntmans. Da die Kamera schon immer gut aussehende Menschen liebte, nahm der mächtige Produzent Samuel Goldwyn den hochgewachsenen Jungschauspieler mit dem markanten Gesicht bald unter Vertrag. Wichtiger noch als dieses Engagement war die Einführung des Tonfilms Ende der 1920er Jahre. Als die Bilder sprechen lernten, fielen nämlich die meisten Stummfilmstars mit ihrem dramatisierenden, gestenreichen Spiel - das nun wie eine Karikatur anmutete - gnadenlos durch. Nicht so Gary Cooper, der mit dem Tonfilm überhaupt erst populär wurde. Er behielt nämlich seine Art zu spielen - beziehungsweise nicht zu spielen - ganz einfach bei. So erzielte er seinen Durchbruch 1929 in dem Western "Der Mann aus Virginia", in dem er auf die Provokation eines Schurken eine der berühmtesten Dialogzeilen der Filmgeschichte raushaute: "If you wanna call me that, smile!" Mit diesem Satz - frei übersetzt: "Wenn du mich beleidigen willst, dann lächle dabei!" - schuf Cooper einen neuen Typus. Einen virilen Mann, der die Aggression des Bösewichts schlagfertig retourniert, aber nicht mit der Faust. Und der dabei eine, so der Titel der Doku, "irresistible" (unwiderstehliche) Coolness verkörperte. Fortan prägte sein Spiel eine lakonische Zurückhaltung. Statt durch dramatische Gesten wirkte seine Ausstrahlung durch sein schlichtes, natürliches Verhalten. Lieber wenig reden als zu viel. Dieser Minimalismus unterschied ihn von anderen Stars. Statt zu "spielen" war er vor der Kamera einfach präsent. Nicht zufällig harmonierte die prägende Figur des wortkargen Einzelgängers gut mit dem "Frontier"-Charakter im Western, einem Pionier an der Schnittstelle zwischen alter und neuer Welt, zwischen Gesetz und Gesetzlosigkeit. Mit diesen Rollen avancierte Cooper zum Kassenmagnet, weil sie das Idealbild des Mannes widerspiegelten, der in einer rauen Grenzwelt mit Prinzipientreue, innerer Ruhe und moralischer Standhaftigkeit agiert. So war Cooper längst schon berühmt, als ihn der Western "Zwölf Uhr mittags" dank dieser stoischen Ausstrahlung 1952 endgültig zur Legende machte. Zum Symbol des "starken, aufrechten Amerikaners" wurde er aber bereits durch seinen Film "Sergeant York" (1941). In seiner Rolle als Alvin C. York, der die patriotische Pflicht gegenüber dem Land höher bewertet als seine pazifistische Moral - und so im Krieg als Scharfschütze zum Helden wider Willen wird -, wurde Cooper auch zum Vorbild für amerikanische Soldaten. Das US-Kriegsministerium - das unter Donald Trump übrigens gerade wieder so heißt - schickte ihn 1943 nach England, Italien und Nordafrika, um die Moral der US-Truppen zu stärken. Besonders beliebt bei den G.I.s, die gegen Nazideutschland kämpften, war eine emotionale Rede aus dem Baseballfilm "Der große Wurf" (1942), die er wieder und wieder rezitieren musste. In dieser bewegenden Ansprache erklärt Cooper in der Rolle des Baseballspielers Lou Gehrig dem vollbesetzten Stadion, dass er unheilbar krank ist. Weil er so dem Tod mit Würde und Stärke entgegentritt, wurden diese Worte zum Trost für US-Soldaten, die wussten, dass sie aus der nächsten Schlacht vielleicht nicht wiederkehren würden. Diesen biografisch-filmhistorischen Bogen vermitteln Clara und Julia Kuperberg kenntnisreich und akkurat. Unveröffentlichte Archivbilder sowie Interviews mit Menschen, die Cooper gut kannten - darunter seine Tochter Maria Cooper Janis - geben Einblicke in seine vielfältige Arbeit und sein Privatleben. Ein grundlegendes Thema wird dabei allerdings etwas unterbelichtet. Denn jene authentische Männlichkeit, die Gary Cooper auf magische Weise lebendig und nahbar machte, erscheint in der Dokumentation nur unter einem nostalgischen Aspekt. So wird der aus heutiger Sicht schon etwas fremdartig und überkommen anmutende Charakter des aufrechten Amerikaners nicht aus dem zeitgeschichtlichen Kontext heraus verständlich gemacht. Und nur ganz am Rande angerissen wird, dass Cooper gewissermaßen der letzte Held war. Abgelöst wurde seine puristische Leinwandpräsenz durch das nervöse "Method Acting", das ab den 1970er Jahren innerlich zerrissene Antihelden populär werden ließ. Gerade weil Gary Cooper den stoischen Felsen in der Brandung zur Perfektion brachte, wäre es reizvoll gewesen, den Kontrast zwischen seinen wichtigsten Rollen und den Auftritten von Marlon Brando, Robert De Niro oder Dustin Hofmann wenigstens anzudeuten. Von dieser Einschränkung abgesehen, ist "Irresistible Gary Cooper" aber durchaus sehenswert.

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