Renaissance oder fortgesetzter Zerfall - Karsten Rudolph zur Zukunft von ARD und ZDF

Von Joachim Huber (KNA)

BUCH - Karsten Rudolph umreißt in "Sendestörung" die Fehlentwicklungen der Öffentlich-Rechtlichen im Spannungsfeld zwischen Anstalten, Rundfunkpolitik und Bundesverfassungsgericht.

| KNA Mediendienst

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ARD, ZDF und Deutschlandradio - reformfähig oder nicht?

Foto: KNA/KNA

Berlin (KNA) So viel verhaltener Optimismus muss schon sein: "Aufstieg und Krise" heißt der Untertitel des Buches "Sendestörung" von Karsten Rudolph, nicht aber "Aufstieg und Fall" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sein im C.H.Beck-Verlag erschienenes, 240 Seiten starkes Buch geht weit zurück in der Rundfunkgeschichte, setzt ein, als die Westalliierten nach dem Vorbild der BBC unabhängige Sendeanstalten für Radio und Fernsehen gründeten, die sich 1950 zur ARD zusammenschlossen. 1961 kam mit dem ZDF ein zweiter Fernsehsender dazu. Und dann begann der Aufstieg des öffentlich-rechtlichen, föderal organisierten Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland, der mit Information, Bildung, Sport und Unterhaltung ein Rundfunk für alle und jeden sein wollte. Der Autor ist kompetent für dieses Themas, er ist Historiker, war lange Mitglied im WDR-Verwaltungsrat und als SPD-Landtagsabgeordneter mit Medienpolitik beschäftigt. Und er kann munter-elegant formulieren, selbst wenn er sich mit der oft staubigen Materie des x-ten Vertragswerkes für ARD, ZDF und Deutschlandradio beschäftigen muss. Zu bemängeln ist allenfalls, dass Rudolph den Aufstieg wesentlich breiter darstellt als die Krise, die er einleitend an Missmanagement, am Rundfunkbeitrag und am Programm festmachen will. Der Schlesinger-Skandal beim RBB bleibt unerwähnt, die Kritik an den Programmleistungen kursorisch. Das schmälert den Wert der Publikation nur wenig, "Sendestörung" umreißt den Untersuchungsgegenstand umfassend, schaut genau auf Fehlentwicklungen im Spannungsfeld zwischen Anstalten, Rundfunkpolitik und Bundesverfassungsgericht, das über die Jahrzehnte mit zahlreichen Urteilen zum zentralen Steuerungsinstrument für Ausgestaltung, Auftrag und Alimentierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio wurde. Und aktuell muss Karlsruhe wieder über die Finanzierung entscheiden. ARD und ZDF haben Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil die Länder Bayern und Sachsen-Anhalt die von der Beitragskommission KEF empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,94 Euro zum 1. Januar 2025 blockiert haben. Die anstehende Entscheidung wird wegweisend für die nahe Zukunft der öffentlich-rechtlichen Sender sein, auch wenn sie sich noch gedulden müssen: Das Bundesverfassungsgericht hatte unlängst mitgeteilt, sein Urteil anders als zunächst geplant doch nicht mehr in diesem Jahr zu verkünden. Wer in Rudolphs "Biographie" des Systems eintaucht, der muss zur Kenntnis nehmen, dass die Rundfunkgebühr/der Rundfunkbeitrag in Höhe und Erhöhung wieder und wieder umstritten war - meistens in den unionsgeführten Ländern. Zu gerne wurde dort der Vorwurf des "Rotfunks" erhoben, angeführt vom WDR, in dem die nordrhein-westfälische SPD durchaus ihre Freunde, wenn nicht Gefolgsleute hatte. Was im Bayerischen Rundfunk mit der CSU-Macht im Maximilianeum allerdings seine Entsprechung fand. Rundfunkpolitik war stets auch Parteipolitik. So war es nach dem Gewinn der Deutschen bei der Fußball-WM 1954 für viele Politik- und Kirchenvertreter kein Anlass zur Kritik, dass viele Fans die erste Strophe des Deutschlandliedes anstimmten, dagegen wurde moniert, dass Reporter Herbert Zimmermann den Torwart Toni Turek als "Teufelskerl" und "Fußballgott" bezeichnet hatte. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) wollte gegen die Unabhängigkeit der ARD-Rundfunkanstalten mit dem "Deutschland-Fernsehen" ein ihm genehmes Medium installieren, was durch das erste Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichts verhindert wurde. Die Bundesländer gründeten stattdessen das ZDF, wo die Konservativen mit Karl Holzamer einen Konservativen zum Intendanten bestimmten. Über "Umbruch und Entmachtung in den Achtzigerjahren" durch das Aufkommen des privaten Rundfunks, über die Krise und Überforderung nach der Wiedervereinigung kommt der Karsten Rudolph ins Internetzeitalter, als "die digitale Revolution alle medialen Verhältnisse umwälzte". ARD, ZDF und Deutschlandradio verloren an Akzeptanz, weil sie nach Rudolphs Meinung auch immer mehr an Relevanz einbüßten. Sie seien deswegen genauso wie die Rundfunkpolitik aufgerufen, die der Demokratie dienende Funktion der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu stärken. Das bedeutet einerseits mehr Bewegungsfreiheit im Internet, damit die Schlagkraft erhöht wird, so Rudolph - doch diese werde nur dann steigen, wenn das System schlanker und schneller wird. Sein Fazit lautet daher: "Ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk wieder zurück in die Zukunft findet, ist offen." Eine Renaissance sei ebenso möglich wie der fortgesetzte Zerfall. Es ist die Stärke der Publikation, dass sie weder in Euphorie noch in Verzweiflung verfällt. Karsten Rudolph hat keine Kampfschrift, keine Verteidigungsrede aufgeschrieben. Und wenn mit seiner "Sendestörung" in Erinnerung gerufen wird, auf welchen Trümmern und auf welch überzeugender Idee der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland am demokratischen Aufbau des Landes mitgewirkt hatte, dann kann die Überzeugung wachsen, dass die ARD, das ZDF und das Deutschlandradio weiter gebraucht werden. In überarbeiteter, in zeitgemäßer Form. Zukunft braucht Zukunftsfähigkeit.

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