Bad Boll (KNA) Im Wahlkampf wird oft mit harten Bandagen gekämpft. Es geht nicht immer fair zu. Wahlkämpfe in Zeiten von Künsticher Intelligenz verschärfen diese Problematik. Mit Blick auf den Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg fordern Digital-Experten nun von den Parteien eine gemeinsame Vereinbarung zum fairen Einsatz von KI. Im März 2026 wählen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, im September folgen Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. "Künstliche Intelligenz darf den Landtagswahlkampf nicht manipulieren oder schädlich gegen Mitbewerber wirken" - so heißt es in der Forderung, die am Sonntagnachmittag zum Abschluss einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll von Forschern und Experten formuliert wurde, die Strategien gegen Desinformation entwickeln. Titel der Konferenz: "Politische KI: Wie verändern neue Technologien Demokratie und Öffentlichkeit?" Diese Veränderungen sind keine Science Fiction mehr, sondern schon Realität: In Rumänien wurde im Dezember 2024 die Präsidentenwahl vom Verfassungsgericht des Landes für ungültig erklärt. Rumänische Geheimdienste sprachen zuvor von Manipulationen auf Tiktok infolge eines "aggressiven russischen hybriden Angriffs". Die in Bad Boll tagenden Experten schlugen nun vor, dass sich die Parteien zu einem fairen Einsatz Künstlicher Intelligenz verpflichten - analog zur "Fairnessvereinbarung" bei der letzten Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Im Kern gehe es darum, "dass Parteien auf freiwilliger Basis Regeln vereinbaren, KI im Landtagswahlkampf sachlich, transparent und ethisch reflektiert einzusetzen". Maria Pawelec vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen warnte beispielsweise vor Deepfakes. Das sind mit Hilfe von KI manipulierte oder erzeugte Bilder, Audioaufnahmen oder Videos. Weltweit nähmen Manipulationsversuche mit Deepfakes im Umfeld von Wahlen zu: Pawelec verwies auf Robocalls (Roboteranrufe) in den USA und manipulierte Audioaufnahmen in der Slowakei. Dabei gehe es nicht nur um Desinformation über den politischen Gegner. Zunehmend würden Deepfakes auch von Parteien und Kandidierenden produziert, um sich selbst in ein positives Licht zu rücken. Eine freiwillige Vereinbarung der Parteien zu KI sei umso wichtiger, da die gesetzlichen Regelungen der EU-KI-Verordnung erst schrittweise in Kraft träten. So würden die Transparenzpflichten für Deepfakes erst ab 2. August 2026 gelten. David Fischer von Politagents, einem neu gegründeten Beratungsunternehmen für Digitalisierung, sagte: "Weltweit setzen Akteure bereits KI zur Mobilisierung ihrer Anhänger, aber auch Desinformation als Waffe gegen politische Gegner ein." In Baden-Württemberg hingegen sei das Thema "noch ein weitgehend blinder Fleck in den Parteizentralen". David Fischer ist in der Politik kein Unbekannter. Sieben Jahre lang war er Pressesprecher der Grünen-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, davon mehr als drei Jahre Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Auf Bundesebene hätten die Parteien bereits gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen, betonte er. Bei der Bundestagswahl hätten sich die Parteien darauf verständigt, im Internet und in Sozialen Netzwerken fair miteinander umzugehen. Die Vereinbarung habe bewusst falsche Tatsachenbehauptungen und Desinformationen untersagt. Verboten war auch, Deepfake-Technologie einzusetzen, um politischen Mitbewerbern Aussagen in den Mund zu legen. Und KI-generierte Inhalte wie Bilder, Videos und Audios sollten klar mit der Angabe "KI-generierter Inhalt" gekennzeichnet sein. "Die Bundesparteien gaben die Fairnessregeln flächendeckend an Mitglieder und Kandidierende weiter und diese hielten sich daran", erläutert Fischer. Jetzt müssten die Landesparteien aus ihrem "digitalen Winterschlaf" erwachen und vorbildlich handeln, so Fischer. Entweder die Parteien schafften Regeln - "auch für ihre Anhänger, die in anonymen Accounts die Social-Media-Kanäle befeuern" - oder sie machten sich mitschuldig an einem zunehmenden Vertrauensverlust. Letztlich brauche es für den politischen Alltag bis in den Gemeinderat einen Kodex, der für alle gilt. Denn Desinformation wirke "wie ein steter Gifttropfen, er schädigt unsere Demokratie langsam, aber beständig".