Langjährige Versäumnisse, neue Bedrohungen - Österreich sucht Wege aus der Medienkrise

Von Florian Bayer (KNA)

ÖSTERREICH - Die österreichische Medienbranche steckt tief in der Krise: Rund 300 Jobs gingen 2025 verloren, die Regierung fährt ihre Inserate-Förderung zurück, Redaktionen schrumpfen. Droht ein Kollaps des Journalismus?

| KNA Mediendienst

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Österreichs Zeitungen unter Druck

Foto: Florian Bayer/KNA

Wien (KNA) "Wir sind am Untergang, wir funken SOS." Mit drastischen Worten beschrieb Ute Groß, Redakteurin der "Kleinen Zeitung" aus Graz, die Lage im österreichischen Journalismus. "Die Situation verschärft sich nahezu täglich", sagte sie bei einer Pressekonferenz der Gewerkschaft GPA vergangene Woche in Wien. Laut GPA-Hochrechnung sind allein dieses Jahr rund 300 Arbeitsplätze verloren gegangen. Betroffen sind nicht nur Redakteure, sondern auch technisches Personal, Korrektoren und Lektoren. Die Liste der betroffenen Medienhäuser umfasst einen großen Teil der österreichischen Presselandschaft: überregionale Blätter wie "Standard" und "Presse", aber auch Boulevardtitel wie "Kurier" und "Kronen Zeitung" und erst recht zahlreiche Angebote von Gruppen wie Regionalmedien Austria, Red Bull Media House und Puls24. Über die genaue Anzahl der bei ihnen jeweils abgebauten Stellen schweigen die Medienhäuser. "Es ist unklar, von wie vielen Personen wir uns tatsächlich trennen müssen", sagt "Standard"-Geschäftsführer Alexander Mitteräcker. Als Grund für die Krise nennt er die schwierige Konjunktur, aufgrund derer Unternehmen ihre Werbebuchungen stark reduzierten. Doch auch die stark gekürzten Regierungsinserate fallen ihm zufolge ins Gewicht. Tatsächlich ist der Einbruch eklatant: Im ersten Halbjahr 2025 haben Bundesregierung, Bundesländer und Kammern nur noch 3,2 Millionen statt 18,7 Millionen Euro für Inserate ausgegeben - eine Reduktion von rund 80 Prozent. Zum Teil ist diese Kürzung wohl auf den Regierungswechsel zurückzuführen, denn die Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen nahm erst im März ihre Arbeit auf. Jüngste Wortmeldungen von Medienminister Andreas Babler (SPÖ) lassen aber auf Absicht schließen. Er bezeichnete das frühere "ungeordnete Rausschießen von Inseraten" als "kein sehr erstrebenswertes Ziel". Sein Ministerium verweist auf die angespannte Budgetlage und kündigt stattdessen zusätzliche Förderungen an. Die Abhängigkeit von Regierungsinseraten prägt die österreichische Presse seit Jahren. Zur Spitze getrieben wurde sie von den früheren Kanzlern Werner Faymann (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP). Unter Kurz weitete sich die Praxis 2021 zur sogenannten Inseratenaffäre aus. Gegen den ehemaligen Regierungschef wird weiterhin ermittelt, weil er im Verdacht steht, sich wohlwollende Berichterstattung und gefälschte Meinungsumfragen in einem Boulevardblatt der Mediengruppe Österreich erkauft zu haben. Dabei lässt sich Österreich die Presseförderung etwas kosten. Allein 2025 stehen 7,1 Millionen Euro zur Verfügung, die über die Regulierungsbehörde KommAustria verteilt werden. Neben einer Vertriebsförderung, die allen kostenpflichtigen Tages- und Wochenzeitungen zusteht, gibt es auch eine regionale Vielfaltsförderung. Auf sie haben aber nur Titel Anspruch, die weder national noch regional Marktführer sind. Die konkrete Höhe bemisst sich dann nach Kriterien wie Verbreitung, Auflage, dem Anteil redaktioneller Inhalte und der Zahl der bei der jeweiligen Zeitung angestellten Journalisten. Dass diese immer weniger werden, bekommen die Redaktionen immer deutlicher zu spüren. Verbliebene Kollegen leiden unter enormer Arbeitsverdichtung, was sich negativ auf die Qualität auswirke, sagt Gewerkschafterin Groß. Kaltenbrunner warnt vor einer Abwärtsspirale: "Je mehr Journalisten verschwinden, desto eingedickter werden die Produkte, desto geringer entwickelt sich die Zahlungsbereitschaft des Publikums." Wenn jetzt nichts passiere, werde es 2026 zu Konkursanmeldungen kommen, warnt Groß. Sie fordert ein Vertriebsförderungsgesetz sowie die steuerliche Absetzbarkeit von Abonnements. Die Gewerkschaft verlangt zudem Verwertungsgesellschaften gegen die Konkurrenz von Onlineplattformen, die seit Jahren Werbegelder abziehen. "Standard"-Geschäftsführer Mitteräcker sieht den größten Hebel in der Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Abos. Doch davon ist angesichts der klammen Budgetsituation im Bundeshaushalt keine Rede. Ohnehin ist fraglich, ob die diskutierten Maßnahmen nicht zu spät kommen. "Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels", sagt Kaltenbrunner. Es gelte Versäumnisse von zehn bis 15 Jahren nachzuholen. Weshalb der Journalismus in Österreich wohl noch länger im Krisenmodus bleibt.

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