"Billiges Vors-Schienbein-Treten" - Medienethikerin nennt Empörung über ZDF-Techniker politisch motiviert

Von Steffen Grimberg (KNA)

ZDF - Die Medienethikerin Claudia Paganini kritisiert die Empörung über den ZDF-Techniker in Gaza, der Hamas-Mitglied gewesen sein soll, als überzogen. Der Fall sei kein medienethisches Problem, sondern werde parteipolitisch instrumentalisiert.

| KNA Mediendienst

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Zerstörung in Gaza

Foto: Mohammed Ibrahim/KNA

Innsbruck (KNA) Die Medienethikerin Claudia Paganini hält die Diskussion über den ZDF-Techniker in Gaza, der nach israelischen Angaben Mitglied einer Hamas-Unterorganisation gewesen sein soll, für überzogen. "Wenn dieser Mitarbeiter keinen inhaltlichen Einfluss hatte und keine Befugnisse mit Blick auf die tatsächliche Berichterstattung, ist das kein wirkliches medienethisches Problem", sagt die Expertin der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Fall betreffe "vielleicht ein Randthema der Wirtschaftsethik - nämlich die Frage, muss ein Unternehmen auch gerade stehen für die Lebensführung und die Ansichten seiner Mitarbeitenden?" Der 36-Jährige, der seit Jahren für eine Produktionsfirma in Gaza arbeitete, die auch für das ZDF produziert, war vor zwei Wochen bei einem gezielten israelischen Angriff ums Leben gekommen. Als der Mainzer Sender bei den israelischen Behörden protestierte und Aufklärung über den Vorfall verlangte, erklärte die israelische Armee, es habe sich bei dem Mann um das Mitglied einer Hamas-Unterorganisation gehandelt. Die als Belege vorgelegten Dokumente sind nach ZDF-Angaben glaubhaft, auch wenn Recherchen des ZDF-Studios Tel Aviv zunächst keine entsprechenden Erkenntnisse zu Tage gefördert hatten. Das ZDF hat als Konsequenz die Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma vorerst beendet. Auch die ARD hatte in dieser Woche ihre Ortskräfte nach eigenen Angaben nochmals überprüft und sich versichern lassen, dass bei ihnen "keine Nähe zu Terrororganisationen" bestehe. Die palästinensischen Ortskräfte sind für internationale Medien neben offiziellen Hamas-Vertretern und Nichtregierungsorganisationen oft die einzigen Vor-Ort-Quellen in Gaza, da der Zugang zu dem Gebiet für internationale Medien durch Israel seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 blockiert wird. Dutzende Appelle, internationale Berichterstatter nach Gaza zu lassen, beantwortet Israel weiterhin abschlägig. Erst vergangene Woche hatte das oberste israelische Gericht in einer Anhörung der israelischen Regierung eine weitere Frist von 30 Tagen eingeräumt, ihre Position zur Frage des Zugangs in den Gazastreifen für internationale Journalisten zu formulieren und damit die Entscheidung wieder vertagt. Die Zusammenarbeit mit Kräften vor Ort, selbst wenn diese nicht hundertprozentig überprüft werden könnten, sei nicht zu beanstanden, sagt Paganini, die an der Universität Innsbruck lehrt: "Wenn das die einzige Möglichkeit ist, überhaupt an Informationen und Bilder aus der Region zu kommen, ist das sicherlich nicht sehr befriedigend. Aber wir können ja nicht alles sein lassen, was schwierig ist", so Paganini. Es müsse aus Gaza berichtet werden, die Medien hätten klar auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen dort, "vor allem gegenüber den unschuldigen beteiligten Menschen. Wichtig ist dann, dass man mit diesen Quellen vorsichtig umgeht und alles, soweit irgend möglich, nochmals überprüft und vor allem Nichtbekanntes und Zweifel kenntlich macht". Paganini verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Kriegsberichterstattung schon ohne die besonderen Beschränkungen wie in Gaza immer einen problematischen Sonderfall darstellt: "Kriegsberichterstattung ist immer Berichterstattung unter sehr spezifischen Bedingungen, weil sich Journalistinnen und Journalisten bis zu einem gewissen Grad stets mit den kriegführenden Parteien koordinieren und Absprachen treffen müssen", so Paganini. Gerade das von Israel maximal zugestandene, höchst restriktiv gehandhabte Embedding mit den IDF-Streitkräften sieht Paganini sehr problematisch: "Das Eingebettet-Sein hat immer eine große Ambivalenz. Denn selbst wenn ich im Vorhinein keine Affinität zu einer Seite hatte, entsteht da ja etwas im Laufe der Zusammenarbeit. Das sind dann meine Partner vor Ort, man verlässt sich aufeinander, da entstehen menschliche Beziehungen und da entsteht natürlich immer auch ein gewisser Bias." Die nach dem Vorfall aufgekommene politische Debatte, bei der vor allem Vertreter der CDU mit Blick auf das ZDF von einem "Skandal" sprachen, stößt bei der Medienethikerin auf scharfe Kritik. Die Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien, Ottilie Klein, hatte den Vorfall als einen "Skandal, der das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tief erschüttert" bezeichnet und "Keine Gebührengelder für Terrorismus!" gefordert. Der ehemalige CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, heute Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, erklärte, "dass das ZDF in zwölf Jahren Zusammenarbeit nicht bemerkt hat, dass einer ihrer Mitarbeiter zeitgleich als Zugführer für die Hamas aktiv an Terrorismus gegen Israel beteiligt ist, spricht für sich". "Ich finde es immer sehr schwierig, wenn solche Vorfälle politisch instrumentalisiert werden", so Paganini: "Es geht um sehr spezielle Situationen und Zusammenhänge, da ist es billig, jetzt quasi politisches Kleingeld zu machen und seinem Lieblingsfeind noch einmal vors Schienbein zu treten", sagte die Medienethikerin mit Blick auf die immer wieder aus bestimmten Unionskreisen geäußerten abfälligen Bemerkungen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie "vertraue dem ZDF, dass es hier mit großer Sorgfalt und Bemühen arbeitet, in einer sehr, sehr schwierigen Situation". In einer solchen Situation wie in Gaza sollte man eigentlich "alle demokratischen Kräfte bündeln" und den Fall nicht zum Anlass nehmen, "Feindschaften auszutragen, deren Hintergrund ganz woanders liegt", sagte Paganini.

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