Heimspiel für Trump - Der US-Präsident übernimmt beim CBS-Interview selbst die Regie

Von Thomas Schuler (KNA)

USA - Vor fünf Jahren brach Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf ein Interview mit "60 Minutes" von CBS ab. Seitdem hat er den Sender verklagt, mit Kritik überzogen - und jetzt erneut mit "60 Minutes" gesprochen.

| KNA Mediendienst

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CBS interviewt Donald Trump

Foto: CBS News/KNA

New York (KNA) Es war ein Interview ganz nach Donald Trumps Geschmack. Der Präsident agierte, als würde er nicht nur befragt werden, sondern auch gleich Regie führen und sogar bestimmen, was von seinen Antworten gesendet werden darf. Und dann fand das Gespräch, das am vergangenen Freitag aufgezeichnet und am Sonntagabend in der CBS-Sendung "60 Minutes" ausgestrahlt wurde, auch noch bei ihm zu Hause, in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, statt. Norah O'Donnell, ehemalige Moderatorin der "CBS Evening News", White-House-Korrespondentin und Reporterin bei "60 Minutes", befragte Trump unter anderem zum Regierungsstillstand, zu Atomtests, zu Einwanderung, zu Zöllen und der heißdiskutierten dritten Amtszeit. Trump beschimpfte wie erwartet immer wieder die Demokraten, vor allem seinen Amtsvorgänger Joe Biden - und lobte sich selbst. Es war sein erstes Interview mit CBS, seit er das Network wegen der Bearbeitung eines "60 Minutes"-Interviews mit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris verklagt hatte. Alle Experten schätzten die Erfolgsaussichten von Trumps Klage zwar als nicht existent ein. Doch der CBS- Mutterkonzern Paramount zahlte 16 Millionen US-Dollar, um die Genehmigung der mittlerweile laufenden Fusion mit dem Medienkonzern Skydance nicht zu gefährden.(MD44/2025) Teil dieser außergerichtlichen Einigung war außerdem eine Verpflichtung für CBS, künftig bei Präsidentschaftskandidaten die Transkripte von Interviews zu veröffentlichen - was CBS im Falle Harris allerdings ohnehin schon getan hatte. Jetzt lief etwa ein Drittel von O'Donnells Interview direkt bei "60 Minutes". Der Großteil des restlichen Materials wurde auf YouTube veröffentlicht; der Sender stellte außerdem das vollständige Transkript des 90-minütigen Interviews ins Netz. Und Trump war sich - ungeachtet seiner Klage gegen die Bearbeitung von Interviews - sehr wohl bewusst, dass seine Antworten aus Zeitgründen gekürzt werden würden - so wie es vor einem Jahr mit Kamala Harris geschah. "Das müssen Sie nicht zeigen", bemerkte Trump nach einem etwas unbeholfenen Wortwechsel über Kriminalität in Washington, D.C. "Das müssen Sie nicht senden, ich will Sie nicht bloßstellen", sagte er an anderer Stelle, als er über seinen Erfolg mit seiner Klage gegen CBS prahlte und die neuen Eigentümer von CBS lobte. Hinter Paramount/Skydance steht die Familie des Oracle-Gründers Larry Ellison, der ein wichtiger Spender und Unterstützer von Trump ist. Der Präsident behauptete im Interview mit Blick auf die außergerichtliche Einigung: "Tatsächlich hat mir '60 Minutes' eine Menge Geld gezahlt. Sie müssen das nicht ausstrahlen, weil ich Sie nicht bloßstellen will, und ich bin mir sicher, dass Sie das auch nicht wollen" - und lobte in typischem Trump-Duktus die neue CBS-Newschefin Bari Weiss. "Sie haben eine großartige - ich denke, Sie haben eine großartige, neue Leiterin, ehrlich gesagt, die junge Frau, die Ihr ganzes Unternehmen führt, ist großartig, soweit ich weiß. Ich kenne sie nicht, aber ich habe gehört, dass sie ein toller Mensch ist." Erneut unterstellte Trump CBS wahrheitswidrig, das Kamala-Harris-Interview seinerzeit nicht nur redaktionell bearbeitet, sondern "eine neue Antwort eingefügt" zu haben. Doch nun sehe er "gute Dinge in den Nachrichten", was daran liege, dass "eines der besten Dinge, die passieren konnten", die "neue Eigentümerschaft" bei CBS und Paramount sei. "Ich halte das für das Beste, was einer freien, offenen und unabhängigen Presse seit Langem passiert ist," so Trump. Allein, diese Passagen wurden bei "60 Minutes" nicht ausgestrahlt. Eine Ironie, auf die der Demokrat Chuck Schumer, Minderheitsführer im Senat, auf X mit der Bemerkung reagierte: "Vielleicht sollte ich eine Beschwerde gegen das Weiße Haus unter Trump einreichen, weil sie sein wirres '60 Minutes'-Interview bearbeitet haben." Ohnehin war schon im Voraus klar, dass dies kein gewöhnliches Interview mit einem US-Präsidenten sein würde. Trump habe sich teilweise verhalten, als sei er ein Medienkritiker, betonte Magaret Sullivan, ehemals Medienkritikerin der "Washington Post" und Public Editor der "New York Times". Denn als Elefant stand neben den gewohnt selbstbewussten und selbstgerechten Aussagen von Donald Trump die Frage nach der redaktionellen Bearbeitung des Interviews im Raum. Vor ein paar Wochen hatte CBS wegen einer Auseinandersetzung über die Interview-Sendung "Face the Nation" verfügt, dass künftig Interviews nicht mehr bearbeitet, sondern in voller Länge ausgestrahlt werden müssen. Wie aber sollte sich "60 Minutes" verhalten, gerade bei einem Präsidenten, der kaum konkrete Antworten gibt, sondern hämisch über seine Gegner herzieht und ungeniert sich und seine Regierung lobt? Ob die Aufteilung des Materials zwischen dem linearen Magazin und Youtube mit Trump abgesprochen war, muss offenbleiben. Relativ offen fällt auch die Bewertung des Interviews durch die Medienkritik aus. Brian Stelter von CNN lobte die Moderation und befand: "O'Donnell nutzte ihre Zeit mit Trump optimal", sie habe ihn eingehend befragt. S.V. Date von der Huffington Post meinte dagegen auf X: "Wer '60 Minutes' gesehen hat, bekam einen beschönigten, harmlos wirkenden Donald Trump zu sehen. Wenn Sie wissen wollen, wie er WIRKLICH ist, rate ich Ihnen dringend: Lesen Sie das vollständige Transkript und sehen Sie sich das vollständige Video an." Auch andere Beobachter schrieben: Die von CBS aus Zeitgründen gekürzten Passagen "wirkten eher wie Wutausbrüche und waren oft verwirrend", die redaktionelle Bearbeitung habe Donald Trump also normalisiert und ihm eher genutzt, weil ihn das bearbeitete Interview normaler darstellte als der echte Trump in Wirklichkeit war. Eines dürfte sowohl Donald Trump wie der neuen CBS-News-Chefin Bari Weiss besonders gefallen haben: Laut Branchenmagazin "Variety" war die "60 Minutes"-Sendung vom Sonntag mit 14 Millionen Zuschauern die quotenstärkste seit Januar 2021. Welch Ironie - damals hatten Berichte über den von Trump mitangeheizten Sturm aufs Kapitol für hohe Quoten gesorgt. Auch der unter Weiss begonnene Umbau im journalistischen Apparat von CBS dürfte bei Trump auf Zustimmung stoßen. Aufsehen erregte hier unter anderem die Ankündigung, dass CBS-News Anchor John Dickerson Ende des Jahres aufhören will. Dickerson arbeitet seit 16 Jahren als Korrespondent, Reporter und Nachrichtenmoderator bei CBS, zuletzt war er Ko-Moderator der "CBS Evening News". Sein Abschied mag damit zu tun haben, dass die Abendnachrichtenshow von CBS trotz eines aufwendigen Relaunches quotenmäßig hinter denen anderer Networks wie ABC und NBC zurückliegt, was auch Dickerson angelastet wurde. Doch es heißt auch, Chefredakteurin Weiss möchte ihn gegen einen Neuzugang von Fox News austauschen. Zumal Dickerson nach der kostspieligen außergerichtlichen Einigung mit Trump im laufenden Programm die Frage gestellte hatte: "Kann man die Macht zur Rechenschaft ziehen, nachdem man ihr Millionen gezahlt hat?" Dickersons Abschied in ein paar Wochen ist nicht der einzige Abgang seit der Inthronisierung von Bari Weiss. Erstes Opfer der Neuausrichtung war bereits zuvor die bei CBS News für die Einhaltung journalistischer Standards zuständige Redakteurin Claudia Milne. "Variety", die Bibel der TV- und Filmbranche, veröffentlichte Milnes Abschiedsworte an ihre Kolleginnen und Kollegen: "Wir leben in schwierigen Zeiten. Für unser Unternehmen, unsere Branche und unser Land. Und gerade in Zeiten wie diesen ist unser Handeln entscheidend. Ich glaube, unsere Rolle als Journalisten besteht darin, die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen. Wir sind hier, um unsere politischen Führer im Namen unseres Publikums zu hinterfragen und herauszufordern, egal ob Republikaner oder Demokrat, Liberale oder Konservative. Wir müssen die Social-Media-Unternehmen hinterfragen, die unsere Aufmerksamkeit kontrollieren wollen, die Unternehmen, die unser Gesundheitswesen verwalten, die Institutionen, die unser Bildungssystem prägen ... und Vieles mehr." Ihre Worte sind getragen von einem journalistischen Ethos, das offenbar nicht mehr erwünscht ist. Der Abgang von Milne wird unter Anhängern von Trump als Erfolg verbucht. Rupert Murdochs Trump-treues, rechtsgerichtetes Boulevardblatt "New York Post" titelte im Stile einer Erfolgsmeldung Milne sei ein "Woke CBS News Standards Chief" und der "erste Skalp" von Bari Weiss beim Umbau des Senders. Aber das Blatt - Eigentümer Rupert Murdoch hat bei seinem US-Wirtschaftstitel "Wall Street Journal" gerade eine Milliardenklage des Präsidenten wegen der Enthüllung von Kontakten zwischen Trump und dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein vor der Brust - ist nicht durchgehend Team Trump/Weiss. Wie die "New York Post" berichtet, zirkuliere bei CBS eine Zahl, die für Erstaunen sorgt. Demnach schütze der Sender Bari Weiss durchgehend mit acht Bodyguards, die um sie herumschwirrten, und chauffiere sie mit einem SUV-Konvoi herum, so wie man es sonst von Präsidenten gewohnt sei. Der Sender lasse sich das 10.000 Dollar am Tag kosten.

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