Der Enkel übernimmt - Thomas Coesfeld rückt 2027 an die Spitze von Bertelsmann

Von Thomas Schuler (KNA)

KONZERNE - Bertelsmann wird ab Ende 2026 nach 45 Jahren wieder von einem Erben der Eigentümerfamilie Mohn geführt. Der Generationenwechsel markiert auch die vollständige Kontrolle des Unternehmens durch die Familie.

| KNA Mediendienst

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Thomas Coesfeld übernimmt 2027 bei Bertelsmann

Foto: Bertelsmann/KNA

Gütersloh (KNA) Thomas Coesfeld wird am 1. Januar 2027 den Vorstandsvorsitz und damit die Führung von Bertelsmann übernehmen. Der 35-jährige tritt die Nachfolge von Thomas Rabe an, der mit 60 Jahren nach dem Ende seiner dritten Amtszeit ausscheidet und auch den Chefposten bei RTL abgibt, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Dort wird ihm ab Mai 2026 Clement Schwebig nachfolgen, der bereits 2002 bis 2013 leitende Positionen bei RTL innehatte und derzeit bei Warner Brothers Discovery die Geschäfte in Westeuropa und Afrika verantwortet. Schwebig wird auch in den Vorstand bei Bertelsmann einrücken, schließlich ist RTL seit vielen Jahren die Cashcow des Konzerns. Dass Coesfeld, der erst seit dem letztem Jahr dem Bertelsmann-Vorstand angehört, schon jetzt als künftiger Konzernchef inthronisiert wird, zeigt, wie wichtig es der Eigentümer-Familie Mohn/Coesfeld ist, die operative Führung bei Bertelsmann nach 47 Jahren wieder selbst in die Hand zu nehmen. Coesfeld leitet seit 2023 die Bertelsmann-Musiksparte BMG, wo er schon seit 2020 als Finanzchef arbeitete. Seine Karriere hatte er nach einem Betriebswirtschaftsstudium bei der Unternehmensberatung McKinsey gestartet. Angesichts seines Aufstiegs zum Unternehmenschef spricht das "Manager Magazin" nun vom "Höhepunkt einer Karriere im Eiltempo". Die Musiksparte will er dabei in Personalunion weiterhin leiten. Bertelsmann ist immer noch Europas größter Medien- und Unterhaltungskonzern. Zum Unternehmen gehören rund 600 Geschäfte in Medien- und Dienstleistungsbranchen mit rund 75.000 Mitarbeitenden in 50 Ländern weltweit. In den 1980er Jahren war das Unternehmen nach Zukäufen in den USA zeitweise sogar der weltgrößte Medienkonzern. Das ist lange her und vorbei, gegen Tech-Konzerne wie Amazon, Google und Meta/Facebook wirkt Bertelsmann heute ein bisschen aus der Zeit gefallen. Was auch daran liegt, dass die öffentliche Wahrnehmung sich weiterhin an die Zeiten erinnert, als der Konzern noch mit Büchern (Lesering und Buchclubs), Zeitschriften (Gruner + Jahr) und Fernsehen (RTL) seine großen Erfolge feierte. Als Wachstumsfelder galten unter Thomas Rabe zuletzt die Sparten Musik und Bildung. Coesfeld war erst elf Jahre alt, als ihm sein Großvater Reinhard Mohn in Aussicht stellte, es eines Tages bei Bertelsmann weit zu bringen. Der Firmenpatriarch und dessen zweite Frau Liz hatten ihn und seinen drei Jahre älteren Bruder Carsten 2001 zur Seite genommen und gefragt, "ob wir uns eine Laufbahn im Unternehmen vorstellen können", wie Carsten Coesfeld 2021 dem "Spiegel" erzählte. Thomas Coesfeld und sein Bruder Carsten galten schon länger als die einzigen Kandidaten, um Rabe 2027 an der Spitze von Deutschlands und Europas größtem Medienkonzern nachzufolgen. Spekulationen, dass es auch auf eine Doppelspitze der beiden Brüder hinauslaufen könnte, sind mit der heutigen Ankündigung vom Tisch. Das Medienunternehmen, das in seiner 190-jährigen Geschichte die meiste Zeit ein Familienbetrieb war, wird nach 45 Jahren wieder von einem Erben der Eigentümerfamilie Mohn geführt werden. Das ist ungewöhnlich, denn Erben kehren eher selten an die Spitze ihrer Unternehmen zurück. Und bei Bertelsmann ist es erst recht ungewöhnlich und überraschend, denn Carsten und Thomas stammen aus Reinhard Mohns erster Ehe, deren Nachkommen von der zweiten Frau Liz Mohn verdrängt und abgeschrieben schienen. Ihre Mutter, Magdalene Mohn, wurde über viele Jahre totgeschwiegen - obwohl sie noch bis vor wenigen Jahren als "Phantom von Gütersloh" ganz in der Nähe der Konzernzentrale lebte. Doch offenbar gibt es nun ein Umdenken - und Carsten und Thomas Coesfeld aus der siebten Generation der Eigentümerfamilie sind plötzlich die Hoffnungsträger. Wenn es Vorbehalte im Unternehmen gab, dann höchstens die Altersfrage - sind die beiden Mittdreißiger für den Posten des Vorstandsvorsitzenden nicht zu jung? Doch das hat nun offenbar keine Rolle gespielt. Eine "überraschende Wendung in einer bizarren Familien-Geschichte" nennt das der britische "Economist". Denn vor rund 30 Jahren sah es lange Zeit so aus, als sei die Familie Mohn abgemeldet: Mit Mark Wössner, Thomas Middelhoff, Gunter Thielen, Hartmut Ostrowski und schließlich Thomas Rabe hatten Manager die Kontrolle und Führung im Unternehmen übernommen. Die Familie trat nur mehr über die Bertelsmann-Stiftung in Erscheinung. Und doch war stets klar, dass die Mohns über das komplizierte Stiftungsgeflecht Bertelsmann vollständig kontrolliert. Reinhard Mohns zweite Frau Liz, heute 84, und ihre Kinder Christoph und Brigitte saßen in allen wichtigen Gremien von Konzern und Stiftung. Nun sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Christoph Mohn in einem Statement über Thomas Coesfeld: "Als Unternehmer und Manager bringt er alle Voraussetzungen mit, um Bertelsmann erfolgreich zu führen und die Kontinuität des Unternehmens zu sichern." Auch von Thomas Rabe kommen warme Wort: "Die Führung von Bertelsmann wird bei ihm und seinem Team in guten Händen liegen", so der (Noch-)Vorstandsvorsitzende. Angeblich war es ausgerechnet Liz Mohn, die beide Enkel zu Bertelsmann holte, heißt es in Gütersloh. Anfang Juni durften beide vor 500 Führungskräften des Konzerns über "Wachstum, Transformation, Kreativität, Künstliche Intelligenz und Leadership" sprechen, wie Bertelsmann damals vermeldete. Ihre Beziehung untereinander gilt als brüderlich harmonisch. Als der "Spiegel" sie 2023 traf, hatten die Interviewer den Eindruck, sie "vermieden alles, was den Eindruck erwecken könnte, sie befänden sich in Konkurrenz zueinander". Der Sprung von Thomas Coesfeld an die Spitze von Bertelsmann ist auch deshalb überraschend, weil keines der anderen Kinder von Reinhard Mohn eine solche Position erreichte. Sie waren ihm, obwohl auch sie teilweise bei Bertelsmann arbeiteten, offenbar nicht gut genug. So stellte Reinhard Mohn zwar seinem erstgeborenen Sohn Johannes die Nachfolge in Aussicht, ließ ihn später aber fallen. Ähnlich war es mit Christoph und Andreas. Verließ sich der Vater bei der Beurteilung zu sehr auf seine Manager, die in den Kindern unerfahrene und vor alle unliebsame Konkurrenz sahen? 1979 hatte Reinhard Mohn jedenfalls zu Protokoll gegeben: "Wir glauben nicht, dass es richtig ist, die Leute in der Exekutive, im Vorstand, sehr alt werden zu lassen." Bei der von ihm eingeführten der Altersregel, nach der Bertelsmann-Manager mit 60 Jahren abzutreten haben, liege "eine ganze Menge Weisheit". Sie verhindere, dass man aus menschlicher Rücksicht auf eine Umbesetzung des Vorstands verzichte. Das sei führungstechnisch unsinnig. "Wir wollen diesen Fehler nicht machen." Damals sagte er auch, "es wäre falsch, wieder einen Reinhard Mohn an die Spitze zu holen." Bertelsmann benötige andere fachliche Befähigungen. Sein Sohn, Aufsichtsratschef Christoph Mohn, gilt nun als Königsmacher, wohl im Einvernehmen mit Mutter Liz und Schwester Brigitte, die beide im Aufsichtsrat und in der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) sitzen, in der alle Stimmrechte der nicht börsennotierten Bertelsmann AG gebündelt liegen. Hier ist Christoph Sprecher der Familie und Vorsitzender im Lenkungsausschuss - seine Mutter hatte ihm diese Positionen und die damit verbundenen Rechte an ihrem 80. Geburtstag im Juni 2021 übertragen. Diese Position ist es, die den Aufstieg der Coesfeld-Brüder erst möglich machte. Noch mögen die beiden nur Insidern bekannt sein. Nicht mal einen eigenen Wikipedia-Eintrag haben sie. Das wird sich vermutlich schnell ändern. Ein harmonischer und erfolgreicher Wechsel könnte zudem die beiden Familienstämme versöhnen. Reinhards erste Ehefrau Magdalene durfte 2009 dagegen nicht einmal an seinem Begräbnis teilnehmen. Dennoch betrachtete sie sich stets als Teil des Unternehmens und der Familie Mohn. Wenn sie von Bertelsmann oder den Mohns sprach, sagte sie "wir". Gerne erzählte sie auch von ihren Enkeln. Ihren Aufstieg an die Unternehmensspitze erlebt sie nun nicht mehr. Magdalene Mohn starb 2021 im Alter von 98 Jahren.

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