Mehr Vielfalt für den Osten - Friedrich kündigt "Ostdeutsche Allgemeine" für 2026 in Chemnitz an

Von Steffen Grimberg (KNA)

PRESSE - Beim Medienforum Mittweida will Verleger Holger Friedrich mit Ostdeutschland gar nicht so viel am Hut haben und kündigt den Start seiner Digitalzeitung "Ostdeutsche Allgemeine" für Februar an. Jetzt weder in Halle noch Dresden, sondern in Chemnitz.

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Mittweida (KNA) Das Thema des Talks lautet zwar "Wann kommt das Leitmedium aus dem Osten?", aber davon will Holger Friedrich dann nicht so direkt etwas wissen: "Die DDR und der Osten interessieren mich eigentlich gar nicht. Es gibt den Osten und die Ostdeutschen, ich komme daher", sagt der Medienunternehmer und Verleger der "Berliner Zeitung". Und fügt noch hinzu: "Das ist aber eher Nebensache." Damit stapelt Friedrich ziemlich tief oder es liegt an der Tagesform. Aber was ihn an diesem Montagabend beim Medienforum 2025 der Hochschule Mittweida reizt, ist der Wettbewerb. Den will Friedrich jetzt mit der "Ostdeutschen Allgemeinen Zeitung" ankurbeln. Als "Projekt Halle" geistert der ziemlich kühne Plan schon länger durch die Branche, eigentlich sollte es in Dresden losgehen. Aber jetzt, verkündet Friedrich, wird der Startschuss im Februar 2026 in Chemnitz fallen. Danach sind Ableger des zunächst digitalen Angebots in allen Landeshauptstädten der ostdeutschen Bundesländer geplant, spätere Printausgaben seien aber nicht völlig ausgeschlossen. Und mehr noch: "Die Abdeckung in Chemnitz übernehme ich die ersten vier Wochen persönlich", kündigte Friedrich an. Der Chefredakteur der "Freien Presse", dem bislang konkurrenzlosen Platzhirschen in Chemnitz, macht zerknirscht gute Miene zu diesem Spiel. Es habe sich seit 2018 in Chemnitz als Stadt, in der Jagd auf Ausländer gemacht wurde, viel getan, sagt Torsten Kleditzsch. Damals sei viel "Helikopter-Journalismus" über die einstige Industriemetropole hereingebrochen. Heute säßen aber viele Menschen mit ostdeutscher Biografie in den Chefredaktionen der Regionalzeitungen, und auch bei den Überregionalen gebe es Fortschritte. Trotzdem scheint sein Blatt, das ironischerweise schon zu DDR-Zeiten so hieß, mit Friedrichs Plänen beziehungsweise der neuen Konkurrenz leicht zu fremdeln. Jedenfalls erzählt Friedrich gut gelaunt, er habe erstmal Post, "einen netten Brief von einem teuren Anwalt" der "Freien Presse" bekommen, was im weiteren Verlauf der Diskussion dann leider nicht weiter vertieft wird. "Da bin ich Unternehmer, das nehme ich sportlich", schiebt Friedrich noch hinterher. Nun sind der Verleger und sein Stil bei der "Berliner Zeitung" nicht unumstritten. Was an der "Meinungsvielfalt" liegt, die der Berliner Verlag an den Tag legt. Den hatte der als IT-Unternehmer vermögend gewordene Friedrich gemeinsam mit seiner Frau 2019 ziemlich siech mitsamt seinen Titeln "Berliner Zeitung" und "Berliner Kurier" vom Kölner Medienhaus DuMont übernommen und seit zwei Jahren auch wieder in die Gewinnzone geführt. Ihn treibe dabei der publizistische Anspruch an, einerseits "völlig versachlichte Informationen aus allen Richtungen" mit hoher lokaler Kompetenz zu liefern und andererseits "die Debatte zu führen, was davon für die Gesellschaft wirklich relevant ist". Dies habe bei der "Berliner Zeitung" auch deshalb funktioniert, weil solche Debatten "im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den meisten anderen Medien nicht vorkommen, weil sie bis auf den Berliner Verlag in westdeutscher Hand sind", so Friedrich. Das Ringen um die besten Ideen sei heute durch die monopolähnlichen Strukturen der Presse vor allem in Ostdeutschland eingeschränkt. Wesentliche Themen wie Ökologie, die demografische Entwicklung, Machtverteilung in der Gesellschaft sowie eine "gerechte Gesundheit" würden ausgeblendet. "Die vermisse ich in der Diskussion", so Friedrich. In Ostdeutschland verfügten die Menschen über eine "maximale Transformationserfahrung im Guten wie im Schlechten". Auf diesen Schatz greife der Westen aber "überhaupt nicht zurück". Dennoch gehe es ihm eben nicht in erster Linie um Ost und West, sagt Friedrich immer wieder. Zwar wurde er zum Kauf des Berliner Verlags motiviert um, "ein ostdeutsches Unternehmen zu retten, dass von einer westdeutschen Familie vor die Wand gefahren wurde". "Aber das mit dem ostdeutschen Geschäftsmodell ist Quatsch." Online habe die "Berliner Zeitung" aktuell die meisten Kunden in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Grund dafür sei, dass das Blatt den "Meinungsvorhang" weiter aufziehe und einen "größeren Diskussionsraum" biete. "Der Osten kennt das, im Westen gibt es Nachholbedarf", so Friedrich. Seine Kritiker werfen ihm allerdings vor, mit diesem breiteren Diskussionsraum auch gesellschaftsfeindlichen Stimmen bis hin zu Anhängern von Verschwörungsmythen Raum zu geben. Für die geplante "Ostdeutsche Allgemeine" stelle man gerade "lokal für die Orte Journalisten ein, deren Arbeitsplätze im Zuge von Sparmaßnahmen abgebaut wurden oder die sich bei ihren Blättern nicht mehr wohl fühlen", sagte Friedrich. Ob er mit dem Vorstoß von Berlin in die ostdeutschen Städte Erfolg haben werde, sei dabei aber "ein komplett offenes Spiel". Mit auf dem Panel saßen noch der Leiter der MDR-Intendanz Leonhard Krause und der medienpolitische Sprecher der CDU, Andreas Nowak. Aber im Angesicht der "Ostdeutschen Allgemeinen" spielte die unendliche Geschichte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Stellung in Ostdeutschland in Mittweida nur die zweite Geige.

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