"Hier landet kein westdeutsches Ufo" – TeleVisonale-Chef will beim Neustart in Weimar starken Ost-Impuls

Von Steffen Grimberg (KNA)

FESTIVAL - Nach 35 Jahren in Baden-Baden feiert die TeleVisionale ihren Neustart in Weimar. Mit größerer Bühne, neuen Preisen und einem klaren Bekenntnis zu mehr Sichtbarkeit ostdeutscher Filmschaffender will das Festival den gesamtdeutschen Aufbruch wagen, sagt Festivalleiter Urs Spörri.

| KNA Mediendienst

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TeleVisonale-Leiter Urs Spörri

Foto: Sophie Schüler/TeleVisionale/KNA

Weimar (KNA) 35 Jahre lang war Baden-Baden Gastgeber für das wichtigste Festival für deutsche Fernsehfilme. Der sogar schon seit 1964 vergebene TV-Preis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste hatte hier ab 1989 im mondänen Kurhaus sein Hauptquartier. Nach diversen Umbenennungen - "Baden-Badener Tage des Fernsehspiels" (1989-1999), Fernsehfilm-Festival Baden-Baden (2000-2021) - und der Ergänzung um einen Serienwettbewerb heißt das Festival seit 2022 TeleVisionale. Und findet in diesem Jahr erstmals nicht mehr in der Kurstadt an der Oos, sondern in der Klassiker-Stadt Weimar statt. Am Grundprinzip wird dabei nicht gerüttelt. Die nominierten Fernsehfilme werden in voller Länge vorgeführt und von einer Fachjury öffentlich diskutiert und seziert. Den Jury-Vorsitz hat in diesem Jahr der Regisseur und Autor Andreas Dresen ("Halbe Treppe", "Gundermann", "In Liebe, eure Hilde"). Vorsitzende der Serienpreis-Jury ist 2025 die Schauspielerin und Regisseurin Désirée Nosbusch. Wie immer vergeben Studierende der führenden deutschen Filmhochschulen einen eigenen Fernsehfilmpreis. Die Jury für den Serienpreis der Studierenden ist in diesem Jahr mit Studierenden und Absolventen der Bauhaus Universität Weimar besetzt. Im Interview mit dem KNA-Mediendienst gibt Festivalleiter Urs Spörri einen Ausblick auf die TeleVisionale 2025 und erzählt, wie es zum Umzug nach Thüringen kam. KNA-Mediendienst: Herr Spörri, am Montag startet die TeleVisionale erstmals in Weimar. Was überwiegt beim Festivalleiter: Leise Panik, tiefe Entspannung oder große Erwartungen? Urs Spörri: Ich sage mal große Erwartungen! Wir haben so viel Zuspruch erfahren, wie ich es mir gar nicht vorstellen konnte. Da unser Festival ja bei freiem Eintritt stattfindet und wir keine Tickets verkaufen, wissen wir aber noch nicht genau, wie viele Menschen tatsächlich kommen werden. Das bleibt natürlich eine kleine Sorge, zumal wir mit der Weimarhalle eine wesentlich größere Location bespielen als in Baden-Baden. Ich hoffe, dass der Trend bei den Fachbesucherinnen und Fachbesuchern auch hier gilt. Denn wir haben schon weit über 500 Anmeldungen von Professionals aus TV und Streaming, das ist ein neuer Rekord. MD: Was erwartet die Branche in Weimar denn genau? Spörri: Die TeleVisionale Branchentage ziehen sich jetzt zum ersten Mal neben dem filmischen Wettbewerbsprogramm durch alle fünf Festival-Tage und bilden einen Dreiklang: Zum einen setzen die führenden Verbände der Branche ihre Themen in Form von Paneldiskussionen und Keynotes. Dann haben wir die Medienpolitik, die sonst ja immer strikt getrennt stattfindet. Da gibt es Medientage, die sind für die Medienpolitikerinnen und -politiker - und daneben existieren die Festivals für die Kreativen. Bei uns sollen beide Welten aufeinandertreffen. Die dritte Säule nenne ich gerne "Ankommen in Mitteldeutschland", da geht es auch um die ganzen tollen ostdeutschen Initiativen, die zu mehr Sichtbarkeit ostdeutscher Filmschaffender, Inhalte und Themen beitragen sollen. MD: Wie hat Mitteldeutschland die TeleVisionale empfangen? Spörri: Mit offensten Armen und offensten Herzen. Wir sind auf alle zugegangen, die hier in irgendeiner Form mit Film und Medien zu tun haben. Diese Begegnungen waren und sind großartig. Die Mitteldeutsche Medienförderung MDM ist zum Beispiel ganz intensiv mit dabei und stiftet sogar zwei neue Preise: Den MDM Debütpreis, mit dem sich zum ersten Mal ein Nachwuchspreis dezidiert an ein Fernsehregiedebüt richtet - sonst geht es da ja fast immer um Filmhochschulabschluss- oder Kinofilme. Und dann noch den MDM Filmgewerkepreis, mit dem entsprechende Leistungen ganz ausdrücklich aus Mitteldeutschland prämiert werden. Ich finde, das ist eine super Kombination. Und es ist besonders Menschen wie MDM-Geschäftsführer André Naumann zu verdanken, dass das Festival jetzt hier Fuß gefasst hat. Dazu kommen erstmals Preise für Kinderserien und den besten Jugendfernsehfilm, das passt alles ganz wunderbar zum Kindermedienland Thüringen. MD: Was ist denn Ihr ganz persönliches Programm-Highlight als Festivalleiter? Spörri: Wir haben gefühlt drei Eröffnungen, auf die ich mich gerade wahnsinnig freue. Die richtige große Eröffnung, die ist am Montagabend mit der Premiere des neuen Polizeirufs aus Halle von Thomas Stuber mit Peter Kurth und Peter Schneider in den Hauptrollen. Der hat den wundervoll-poetischen Titel "Der Wanderer zieht von dannen". Aber wir zeigen als Auftaktfilm und ersten Wettbewerbsbeitrag schon am Montagmittag um 12 Uhr den Film "Bach - Ein Weihnachtswunder". Dessen Außenaufnahmen sind zum Teil in Weimar gedreht worden. Das ist für mich als Festivalmacher und Kurator ein absolutes Geschenk. Und eigentlich geht es aber schon am Sonntag mit einem "Warm-up-Tag" los, wo wir auch ein Zeichen setzen und ganz bewusst als allerersten Film der TeleVisionale den Gewinnerfilm des 3satPublikumspreises des letzten Jahres zeigen: "Ich bin! Margot Friedländer", als Hommage und Erinnerung, zu der auch ein Vertreter der Gedenkstätte Buchenwald eine Einführung halten wird. Damit wollen wir uns klar gegen Rechts positionieren. MD: Wie kam es überhaupt zum Wechsel nach Weimar? Spörri: Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die Rahmenbedingungen am alten Standort immer schwieriger wurden. Wir mussten 2024 das Festival von fünf auf drei Tage verkürzen. Das war der Auslöser dafür, dass wir nach Alternativen gesucht haben. Die Entscheidung für Weimar ist ein wichtiges Signal, wir sind das erste Festival dieser Größenordnung, das von West nach Ost zieht. Auch wenn in den letzten 35 Jahre viel falsch gelaufen ist und manche Mauern in den Köpfen wieder hochgezogen wurden, hoffe ich, dass wir auf medialer Ebene einen gesamtdeutschen Impuls und Gedankenanreiz schaffen. Hier landet kein westdeutsches Ufo.

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