Asphaltglitzernde Absurdität - Dem ZDF gelingt ein ethischer Gangster-Film auch ohne viel Budget

Von Jan Freitag (KNA)

FERNSEHEN - Der deutsche Heist-Movie "Gar kein Geld macht auch nicht glücklich" muss zwar mit einem Bruchteil des Budgets von Guy Ritchie auskommen. Die ZDF-Komödie macht aber das Beste draus.

| KNA Mediendienst

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"Gar kein Geld macht auch nicht glücklich"

Foto: Gordon Timpen/ZDF/KNA

Mainz (KNA) Räuber haben ein merkwürdiges Renommee. Von Arsène Lupin über "Rififi" oder "Topkapi" bis hin zu "Ocean's 11/12/13" wächst ihr Renommee meist analog zum Umfang ihrer Beute. Wer aus gewöhnlicher Geldnot Banken überfällt, gilt fiktional gesehen daher als Loser. Wer mit ungewöhnlichem Glamour Spielkasinos leert, hingegen schnell als Held schillernder Heist-Movies. Besser noch: als Heldin. Wenn die Virologin Kim Hansen mit ihren zwei Halbschwestern Lesley und Olivia den Tresorraum eines solventen Geldhauses knackt, schlägt sich das Publikum also vermutlich auf die Seite der drei Einbrecherinnen. Schließlich ist das Objekt ihrer Begierde weder Geld noch Gold oder Geschmeide. Sie haben es auf die Rezeptur eines wirksamen Impfstoffs gegen HIV abgesehen. Denn den, das erzählt uns Drehbuchautor Jonas Grosch in der ZDF-Komödie "Gar kein Geld macht auch nicht glücklich", hat der windige Unternehmer Christian Heisinger von Kim gestohlen. Dass der Coup scheitert, ist folglich keineswegs im Sinne der meisten Zuschauer. Gut, dass die drei nach fünf Jahren Knast gemeinsam freikommen und nach kurzer Eingewöhnung auf Wiedergutmachung, besser noch: Wiederholung sinnen. Nur diesmal mit noch mehr Raffinesse Genau um die geht es ab Samstag in der ZDF-Mediathek. Dank seiner geklauten Formel steht Heisinger (Christoph Bach) kurz vor der Markteinführung des milliardenschweren Vakzins. Und wie die Hansen-Sisters Kim (Katharina Wackernagel), Lesley (Julia Becker), Olivia (Sara Fazilat) fortan fast 90 Minuten danach jagen - das ist schon ein bemerkenswertes Stück öffentlich-rechtlicher Unterhaltung. Ästhetisch im Stile von Guy Ritchies Gangstergrotesken "Snatch" oder "The Gentlemen", nur ohne deren selbstreferenzielle Gewalt, zünden sie ein Feuerwerk ulkiger Einfälle auf dem Weg zu ihrem Eigentum. Im Gewitter drolliger Schnittabfolgen, Zooms und Dialoge zeigt sich: die drei ungleichen, aber (art)verwandten Heimkinder mögen edlere Motive haben als das Objekt ihrer Revanche. Heilige sind sie indessen nicht. Im Gegenteil. Oberflächlich vom materiellen Zwang prekärer Existenzen motiviert, zeigt besonders die scheiternde Imbiss-Besitzerin Lesley spürbar Freude an krimineller Energie. Und wie die großartige Schauspielerin Julia Becker als Lesley dies minutenlang allein durch ein paar Gesichtsmuskeln zum Ausdruck bringt, zeigt, welch fabelhaftes Ensemble Jonas Grosch da rund um seine Schwester Katharina Wackernagel casten ließ. Wenn sich A-prominente Schauspieler wie Jacob Matschenz und Franziska Hartmann, Milan Peschel oder Mark Hosemann als bessere Sidekicks der drei Heldinnen hergeben, dürfte das Drehbuch nach Motiven von Maike Rasch allerdings auch schon ziemlich lesbar gewesen sein. Was Szenenbildnerin Daniela Herzberg am Set und Cutter Christoph Lumpe im Schnitt daraus gemacht haben, muss sich aber auch technisch nicht verstecken. Klar: Mit hiesigen TV-Budgets kann man vermutlich nicht mal den Vorspann eines Ritchie-Films finanzieren. Mitunter sieht "Gar kein Geld macht auch nicht glücklich" daher ähnlich zusammengeschustert aus wie der gewollt lustige Titel. Gerade in dieser Bescheidenheit am räudigen Drehort St. Pauli liegt allerdings auch der Reiz deutscher Mittelklasse-Produktionen. Ihr Zauber komme "nicht mit viel Knall und Bombast daher", meint Producerin Lydia-Maria Emrich dazu stellvertretend für Network Movie, "sondern durch besondere Figuren und die Kraft aller Departments, gemeinsam immer neue Ideen zu entwickeln". Kleiner Tipp zum Schluss nur noch an den Schwarzwälder Jonas Grosch, der mit "Last Exit Schinkenstraße" und "Legend of Wacken" zuvor bereits zwei außergewöhnliche Realsatiren inszeniert hat: Keine Kiezbewohnerin trägt auch zuhause so verbissen Highheels wie diese drei Teilzeit-Hamburgerinnen. Abseits solcher Kleinigkeiten aber ist der ethische Heist-Movie aus Deutschland in all seiner asphaltglitzernden Absurdität absolut sehenswert. Vor allem dank dreier Räuberinnen, auf deren Seite man sich auch ohne Brillanten-Beute gern schlägt.

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