Köln (KNA) Es ist der vermutlich größte Stellenabbau der Geschichte von RTL Deutschland: Rund 600 Stellen sollen wegfallen. Das verkündete Stephan Schmitter, der seit 2024 Chef des Unternehmens ist, am Dienstagmorgen. Ziel sei ein "umfassender Umbau der Organisation". RTL werde sich noch stärker als bisher auf den Ausbau des Streaming-Angebots konzentrieren - inhaltlich wolle man in vor allem in Unterhaltung, Sport und Nachrichten investieren. Betriebsbedingte Kündigungen will man mit Regelungen zu Abfindungen und Altersteilzeit zwar vermeiden. Der Deutsche Journalisten-Verband zeigte sich von der Ankündigung dennoch schockiert. Das TV-Unternehmen soll "angesichts einer beschleunigten Transformation des Mediengeschäfts sowie der aktuellen konjunkturellen Herausforderungen" zukunftssicher aufgestellt werden, heißt es in der Mitteilung. Außerdem wolle man sich auf den Wettbewerb mit den großen US-amerikanischen Streamingdiensten ausrichten, so das Unternehmen weiter. Wie genau RTL Deutschland umgebaut werden soll, wurde der Belegschaft am Dienstag allerdings nicht mitgeteilt. Die Weihnachtsfeier, so viel war schon bekannt, war da längst abgesagt. Die Ausgangslage für RTL ist denkbar schwierig: Das Geschäftsmodell der Fernsehbranche insgesamt verschiebt sich, mit jetzt nochmals zunehmender Geschwindigkeit. Die Werbeumsätze im klassischen Fernsehen und damit die Haupteinnahmequelle der großen Privatsender, sinken beharrlich. Das verrät auch die aktuelle Neunmonatsbilanz der RTL Group. Die digitalen Anzeigenumsätze wachsen zwar durchaus ansehnlich - freilich im Schatten der Werbeumsätze von YouTube und anderen. Sie können aber immer noch nicht die Verluste im klassischen Geschäft ausgleichen. Die Prognose für das laufende Geschäftsjahr wurde bereits korrigiert. In den vergangenen sechs Jahren, so rechnet RTL selbst vor, sei der Werbeumsatz um 20 Prozent gesunken. Die Kürzungen fallen in das Ende der Amtszeit von Thomas Rabe als CEO der RTL Group. Als er im April 2019 die operative Führung bei der RTL Group selbst in die Hand nahm, sendete der Vorstandschef des Bertelsmann-Konzerns damit zwei Signale. Erstens: Ich mache den Job bei dem größten privaten europäischen Fernsehkonzern lieber selbst. Zuvor war der Niederländer Bert Habets, der im Amt wenig Fortune hatte, abgetreten (um später beim Rivalen ProSiebenSat.1 auf den Chefsessel zu gelangen, den er nach der Übernahme durch die italienische MFE-Gruppe erst kürzlich wieder loswurde). Zweites Signal: Einen Großkonzern plus Umbau einer Fernsehgruppe führen - mit ein wenig Disziplin lässt sich beides gleichzeitig stemmen. Und diszipliniert ist Rabe - nicht nur persönlich. Auch bei den Kosten hat er der RTL Group in den vergangenen Jahren einiges abverlangt. Das Bild der "Zitrone, die weiter ausgequetscht wird" ist abgegriffen und nicht immer treffend, fällt in Gesprächen aber dennoch zuverlässig. Im kommenden Mai übergibt Rabe den Posten des CEO der RTL Group an Clément Schwebig. Der ist gerade noch Spitzenmanager bei Warner Bros. Discovery und dort verantwortlich für Westeuropa und Afrika - und schafft jetzt noch vor einem wahrscheinlichen Verkauf von Warner den Sprung an die Spitze der Fernsehgruppe, bei der er seine Karriere begann. Rabe selbst tritt Ende 2026 als Vorstandschef bei Bertelsmann ab und übergibt den Chefposten an Thomas Coesfeld. In Rabes Zeit - zwischenzeitlich hatte er für eineinhalb Jahre auch den Chefposten bei RTL Deutschland inne - fällt der Ausbau des Streamingangebots RTL+, das derzeit allein in Deutschland 6,64 Millionen Abonnenten hat, was ein gutes Wachstum von 14,5 Prozent im Jahresvergleich bedeutet. Die Erlöse steigen und im kommenden Jahr soll das Streaminggeschäft nach Anlaufverlusten profitabel sein, über die Gruppe hinweg. Dazu kommen noch Abonnenten in Frankreich und Ungarn - Ziel sind 8 Millionen zahlende Streamingkunden bis Ende des kommenden Jahres. Für die Profitabilität reichen wird diese Zwischenmarke natürlich nicht. Beim Wachstum geholfen hat bisher eine Partnerschaft mit der Telekom, die freilich auch Abhängigkeiten schafft. Ein strategisch für die weitere Entwicklung von RTL wichtiger Schachzug ist die bevorstehende Übernahme von Sky Deutschland, die Mitte des Jahres angekündigt wurde. 150 Millionen Euro sind ein ziemlicher Schnäppchenpreis, technisch und organisatorisch ist die Sache aber alles andere als trivial. Sie sollte besser anders ablaufen als der relativ ruppige Umzug des Magazinverlags Gruner+Jahr unter das RTL-Dach vor vier Jahren. Hier kommt auf Stephan Schmitter eine der, positiv formuliert, attraktivsten Aufgaben im Mediengeschäft des kommenden Jahres zu. Bei der es auch darauf ankommen wird, mit welcher Haltung die Kölner bei den Kollegen in München-Unterföhring durch die Tür gehen, sobald das Europäische Kartellamt dem Deal zugestimmt hat. Denn bei Sky steckt das Wissen darüber, wie Abonnenten zu gewinnen und zu halten sind, deutlich länger in der DNA als beim Abo-TV und Streaming-Neuling RTL. Und was macht das Programm? Den größten Aufschlag in der breiten Öffentlichkeit machte RTL Deutschland unter der Führung von Stephan Schmitter und Inhalte-Chefin Inga Leschek mit der Verpflichtung von Stefan Raab als neuem Sendergesicht. Natürlich ist es ein Verdienst, den einstigen ProSieben-Star wieder vor die Kamera zu holen. Dazu kommt nun aber die schmerzhafte Erkenntnis, dass der Versuch gescheitert ist. Denn eine Neuerfindung von Raab blieb aus, man verharrte bei der allseits bekannten Rezeptur vergangener Zeiten - und das Ergebnis schmeckt schal. Es gibt zwar eine Zielgruppe, die der "Killerplauze" Raab weiter die Stange hält, aber sie ist nicht groß genug. Bisher ist Raabs Comeback eine Enttäuschung. Doch unter einem Fünfjahresdeal wollte oder konnte man es nicht machen. Die immer wieder kolportierte Budgetsumme von 90 Millionen Euro für alle Produktionen der Firma Raab Entertainment wurde zwar nie offiziell bestätigt, dürfte aber ziemlich realistisch sein. Inga Leschek hat den Raab-Deal kürzlich im "Spiegel" mit viel Verve verteidigt. Doch die Raab-Show vom 26. November erreichte nur noch 230.000 Menschen zwischen 14 und 49 Jahren - selbst für ein angeblich siechendes Medium wie das lineare Fernsehen ist das sehr wenig. Die linearen Quoten seien "nur die Hälfte der Wahrheit", entgegnet Leschek und lobt das RTL-Programm gegenüber dem "Spiegel" als "kompromisslos mutig". Der Sender wolle sich "andere Dinge trauen" als die Konkurrenz. Trotzdem setzt RTL doch sicherheitshalber weiter auf Dauerbrenner wie "GZSZ", "Bauer sucht Frau", Reality-Ware wie "Sommerhaus der Stars" und Spektakel wie "Ninja Warrior Germany". Auf Sparkurs ist der Sender, Raab hin oder her, dabei schon länger. Für Aufsehen sorgte Ende Oktober die Mitteilung, RTL Deutschland werde zum Jahresende die Produktionsfirma 99pro media in Leipzig dichtmachen. Die Kündigung soll rund 120 Mitarbeiter betreffen. Die Erfolgsformate der Firma, die erst vor fünf Jahren übernommen worden war, heißen "Goodbye Deutschland" und "Zwischen Tüll und Tränen", beide laufen bei Vox. Und das auch in Zukunft, aber dann von einer anderen Firma produziert. Die Schließung von 99pro media sei "eine Entscheidung im Kontext der strategischen Neuausrichtung des Produktionsportfolios", heißt es etwas gewunden. Will heißen: Der Kampf um Aufträge hat sich verschärft. Produktionsfirmen bekommen das im Augenblick als erste zu spüren, wobei das Dach einer großen Sendergruppe nicht mehr zu helfen scheint. Auch Fremantle, die große Produktionstochter der RTL Group, zu der unter anderem die UFA gehört, hat ihre Probleme und schwächelte in der Bilanz. Gelegentlich gibt es Verkaufsgerüchte. Offiziell heißt es, man wolle mit Fremantle mittelfristig auf drei Milliarden Euro Umsatz kommen. Investitionen in Formate und Talente sowie Zukäufe seien geplant. Nicht fehlen darf der Hinweis auf Künstliche Intelligenz, die in der Entwicklung und Produktion von Videoinhalten eingesetzt werden soll. Mutterkonzern Bertelsmann sieht hier "Potenzial für deutliche Produktivitätsgewinne". Tatsächlich braucht es aber vor allem Hits und echte Reichweitengewinner. Einen wie die Teenie-Serie "Maxton Hall", die von der UFA produziert wurde - allerdings nicht für RTL, sondern für Amazon Prime Video.