Bonn (KNA) "Zwei für Gold - Wendl & Arlt. Olympia-Helden auf Kufen", "Fly - Skispringen hautnah", "Die Könige des Biathlon" sowie die bereits neunte Staffel von "Ohne Gewehr - Leben nach dem Biathlon" - das sind nur vier der "hintergründigen und informativen" dokumentarischen Produktionen, die die ARD für die aktuelle Wintersportsaison ankündigt hat. Hinzu kommen bis März 2026 noch einmal "mehr als 100 Livestreams" und natürlich "Highlights, Zusammenfassungen und umfassende Re-Lives". Auf der sogenannten Stage, der Hauptpräsentationsfläche der ARD-Mediathek, ist es mittlerweile üblich, dass sich rund um Sportgroßereignisse sowohl Live-Übertragungen und Zusammenfassungen als auch begleitende Dokumentationen präsentieren. Zur Fußball-Europameisterschaft der Frauen im Juli gab es allein in der ARD drei davon. Als sich die Frauen-EM und die Tour der France überschnitten, gab es Tage, an denen knapp die Hälfte der Angebote auf der Stage Sportinhalte waren. Denn hier platziert die ARD gezielt Programm, mit dem sie jüngere Zuschauer halten, gewinnen oder zurückgewinnen will. "Jüngere" - das meint in diesem Fall die Gruppe der unter 50-Jährigen, deren non-lineare Bewegtbildnutzung die lineare, je nach Alterssegment, unterschiedlich stark übersteigt. Rund um die vergangene Jahrzehntwende hofften Produzenten und Autoren von Dokumentarfilmen und Dokumentationen "auf den Aufbruch in eine neue Ära digitaler Plattformen, die mit Scheckbüchern wedeln", wie es das britische Filmmagazin "Sight and Sound" in seiner Dezember-Ausgabe rückblickend formuliert. Doch im Laufe der Jahre haben sich die dokumentarischen Angebote der Streamingdienste und die Mediatheken der klassischen TV-Sender zunehmend angenähert. Gefragt sind inzwischen überall: True Crime, Celebrity-Stoff - und Sport. Kamila Schmid, die bei Sky den Bereich für dokumentarische Eigenproduktionen leitet, bestätigte dies noch einmal ausdrücklich beim Branchentreff Dokville in Stuttgart: Besonders gut liefen "Katastrophen, Skandale, True Crime sowie hochwertige Sportdokumentationen". Das hätte auch von einem ARD-Strategen stammen können. Als sich Anfang November zum zehnten Mal die Terroranschlagserie von Paris jährte, verfolgten die ARD und Sky mit den Dokumentationen "Terror. Fußball. Paris 2015 - Die Nationalmannschaft im Visier" und "Die Nacht von Paris - Terror am Stade der France" sehr ähnliche Ansätze. Beide Filme fokussierten sich auf den Anschlagsort Stadion und die Gefühlslage der deutschen Spieler, die an diesem Abend gegen Frankreich auf dem Rasen standen. Für ihre Sportdoku-Offensive hat die ARD auch gleich mehrere Reihen konzipiert. Die bisher in zwei Staffeln ausgestrahlte "Generation F - Zeit für Sportlerinnen" gleicht dabei eher Imagefilmen als einer kritisch-hintergründigen Dokumentation. "Rise & Fall" widmet sich traditionsreichen Fußballvereinen mit einer wechselvoller Geschichte; dazu kommt noch das mittlerweile fünf Mehrteiler umfassende Porträtformat "Being ...", das 2022 mit "Being Jan Ullrich" startete. In diesen Tagen sind zwei neue "Being"-Produktionen hinzu gekommen: über die frühere Eiskunstläuferin Katarina Witt, die am 3. Dezember 60 Jahre alt wird, und über den Fußballer Jérôme Boateng (37). In letzterem Fall stellt sich angesichts breiter Kritik, unter anderem von mehreren für die Doku interviewten Experten, vor allem die Frage, ob dieser Dreiteiler in der Reihe richtig aufgehoben ist (siehe den gesonderten Artikel zur Debatte um die Boateng-Doku). Bisher drei Mehrteiler sind in der Reihe "Rise & Fall" erschienen: über den 1. FC Kaiserslautern (MD 43/25), über den VfB Stuttgart sowie über den Drittligisten TSV 1860 München. Anders als "Generation F" und die "Being"-Reihe zählt "Rise & Fall" zu den bisherigen Höhepunkten des Sportdoku-Genres im deutschen Fernsehen. Denn sie fängt im Fall von München 1860 das besondere Fluidum des Vereins aus dem früheren Arbeiterviertel Giesing hervorragend ein. Der Club war gleich mehrfach von der Insolvenz bedroht. Seit 14 Jahren ist er nun von dem jordanischen Investor Hasan Ismaik abhängig, der bei großen Teilen der Anhängerschaft eher mal unbeliebt ist. Viel über das Wesen des Clubs sagt aus, dass einige der nachhaltigsten emotionalen Momente im Film nicht unmittelbar mit sportlichem Erfolg oder Misserfolg zu tun haben. Etwa der Jubel auf dem Vereinsgelände, nachdem Präsident Karl-Heinz Wildmoser 2004 im Zuge einer Schmiergeldaffäre seinen Rücktritt erklärt hatte. Oder die Freudengesänge über den Sieg des Fanlagers gegen die Kandidaten des Investors bei einer Verwaltungsratswahl. Zu den Stärken der Serie gehört ihre nicht-lineare Erzählweise, oft springt sie zwischen den Jahrzehnten hin und her. Das ist insofern stimmig, als sich die Anhänger von München 1860 an die Hoch- und Tiefpunkte ihrer Fankarriere auch nicht in chronologischer Reihenfolge erinnern. Der "Rise & Fall"-Dreiteiler über den VfB Stuttgart fällt dagegen ab, was auch daran liegt, dass die Abstürze des Vereins weitaus weniger spektakulär sind als die des TSV 1860 oder des 1. FC Kaiserslautern. Der VfB ist seit 1975 nur dreimal aus der 1. Fußballbundesliga der Männer abgestiegen - das gibt eher wenig Drama her. Andere Vereine wären hier weitaus eher geeignet, der 1. FC Nürnberg zum Beispiel, oder Hertha BSC, der FC St. Pauli und Kickers Offenbach. So lobenswert es ist, dass die ARD mit "Rise & Fall of 1860 München" eine hochwertige und dank des umfangreich genutzten Archivmaterials der Deutschen Fußball Liga auch kostenintensive Serie über einen Drittligaverein produziert hat: Wünschenswert wäre, dass ein vergleichbarer Aufwand in Auslands- und Wirtschaftsthemen fließt, die im dokumentarischen Bereich derzeit zu kurz kommen. Dass Sportdokus oft auch der Cross-Promotion dienen, zeigt der eingangs erwähnte Vierteiler "Fly - Skispringen hautnah". In dieser klassischen Sportdokumentation, die den Weg der Skisprung-Nationalteams der Männer und Frauen in der Saison 2024/25 von der Vorbereitung bis zu den Wettkampfhöhepunkten nachzeichnet, sind immer wieder Ausschnitte aus Live-Kommentaren von Tom Bartels zu hören. Als Interviewpartner kommen ARD-Skisprung-Moderatorin Lea Wagner und ARD-Experte Sven Hannawald zu Wort. Noch auffälliger als die Werbung der ARD in eigener Sache ist aber das Sponsoring-Bombardement, das das Publikum bei den zahlreichen Einzelinterviews mit Athletinnen und Athleten über sich ergehen lassen muss. Mitunter zieren bis zu ein halbes Dutzend Sponsoren-Logos allein die Jacken. Und die Caps, Mützen und Sprunganzüge bieten auch noch reichlich Platz für Werbeflächen. Eine problematische Begleiterscheinung des Sportdokubooms scheint also zu sein, dass die Produktionen zuweilen wie Quasi-Dauerwerbesendungen wirken.