Chatbots haben öfter Zeit - ARD-Doku beleuchtet den Einsatz von KI in der Psychotherapie

Von Christian Bartels (KNA)

DOKU - Eine Doku in der ARD-Mediathek zeigt Nach-, aber auch Vorteile, die Künstliche Intelligenz auf dem Feld der Psychotherapie bietet.

| KNA Mediendienst

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"Ich werde von einer KI therapiert"

Foto: Conny Beißler/MDR/KNA

Bonn (KNA) Künstliche Intelligenz (KI) dringt in unterschiedlichen Formen immer weiter in den Alltag von immer mehr Menschen vor. Oft tut sie das Form synthetischer, jeweils als sympathisch empfundener Stimmen. In welchem Ausmaß und bis in welche Intimbereiche sie es tut, weiß niemand genau - außer ihren Anbietern. In der 45-minütigen "ARD Wissen"-Doku "Ich werde von einer KI therapiert" berichten junge Menschen, denen häufig Kopfhörer um den Hals hängen, freimütig, wie sie KI-Bots als Psychotherapeuten benutzen. Einer von ihnen sagt, "dass ChatGPT irgendwo ein sozialer Kontakt ist, der mir viel zugehört hat" - und zwar länger als Freunde, die schließlich irgendwann anderes zu tun hätten. Die Influencerin Ilayda bespricht sich außer mit einem menschlichen Therapeuten auch mit KI und berichtet ihrer Community auf Tiktok darüber. Ein junges schwules Paar, das in einer Fernbeziehung lebt, die noch ferner werden wird, weil einer der beiden ein Praktikum in Südamerika zu absolvieren plant, nutzt ChatGPT ausdrücklich zur Paartherapie. "Macht zum Beispiel ein festes Gute-Nacht-Ritual!", rät die KI, auch wenn das nicht "echtes Kuscheln" ersetzen kann. Die beiden jungen Männer kuscheln derweil echt. Vor diesem Hintergrund entfaltet ein Studio-Experiment, das die MDR-Produktion anstellt, tatsächlich Spannung. Der Psychotherapeut Umut Özdemir lässt drei Patienten Gespräche sowohl mit ihm wie mit einer KI führen, die aber alle von einer synthetischen Stimme gesprochen sind. Werden die Probanden von Mensch und Maschine unterscheiden können? Antwort: Zwei der drei täuschen sich, nur einer erkennt die KI - weil sie die zuerst von ihm verwendeten Formulierungen immer wieder benutzte. Tatsächlich liegt da eines der zentralen Probleme, wenn Menschen sich in jedweder Situation KI-Systemen anvertrauen: Künstliche Intelligenz neigt dazu, immer zuzustimmen. Für menschliche Psychotherapeuten seien Klienten hingegen keine Kunden, deren Wünschen man sich stets anpasse, sagt der gern im Fernsehen befragte Chemnitzer Psychologe Bertolt Meyer. Das subjektive Gefühl, ein schönes, hilfreiches Gespräch geführt zu haben, sage wenig über den Wert einer echten Psychotherapie aus. Ein Depressions-Patient berichtet dann auch, wie ChatGPT dazu beitrug, dass seine Situation "vielleicht ein bisschen schlimmer" wurde - weil der Chatbot ihm selbst in manischen Phasen immer zustimmte. Nur kurz behandelt der 45-Minüter das im Sommer dieses Jahres größer thematisierte Problem, dass ChatGPT sogar suizidale Gedanken mit Tipps unterstützte - zumindest bis der Anbieter OpenAI die Software daraufhin angeblich anders trainierte. Das gleiche gilt für zwei Start-ups, ein deutsches und ein britisches, die an zuverlässigen, professionellen Psychotherapie-KI-Tools arbeiten. Der Bedarf danach besteht, macht der Film deutlich. Jährlich würden rund 27 Prozent der Menschen in Deutschland psychisch erkranken, sagt Meyer, und die Minderheit unter ihnen, die sich überhaupt behandeln lassen will, müsse immer länger auf Termine warten. Zugleich scheint unwahrscheinlich, dass künftig Geld in mehr Therapieplätze fließen wird - auch weil es gerade im "KI-Diskurs" insbesondere um Effizienz- und Qualitätssteigerung geht, ergänzt Judith Simon vom Deutschen Ethikrat. Insofern könnte eine sinnvolle Entwicklung darauf hinauslaufen, dass KI wegen ihrer Verfügbarkeit professionelle Therapieansätze "als eine Reflexionshilfe" unterstützt. Dieses Fazit liefert der 45-Minüter und informiert kompakt und schnörkellos über ein Problemfeld, das vielen Menschen kaum bewusst sein dürfte. Ungewöhnlich für solche kürzeren Doku-Formate kann der vergleichsweise dezente und daher besonders überzeugende Einsatz eines allwissenden Offkommentars erscheinen. Das hat freilich auch damit zu tun, dass außer offenherzigen Protagonisten und den befragten Experten auch die KI schon genug redet.

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